Die aktuelle Kampagne des niederländischen Schokoladenherstellers Tony’s Chocolonely ist derzeit buchstäblich in aller Munde. Sie ist eine ganz klare Botschaft an Verbraucher und Konkurrenz. Schokolade muss fair sein.
Wer sie gerade nicht vor Augen hat, hier:
Quelle: https://www.instagram.com/p/C2zVLCEMqXo/?hl=de
Zu sehen ist Tony’s Schokolade im Design bekannter anderer Marken, wie Milka, KitKat und Co.
Ziel ist es, auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kakaofarmer:innen aufmerksam zu machen. Tony’s deutet dabei recht offensiv an, dass bekannte Marken noch lange kein Teil dieser Mission sind „Man kann gute Schokolade herstellen UND allen Kakaofarmer:innen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen“.
Quelle: https://www.instagram.com/p/C2zVLCEMqXo/?hl=de]
Rechtliche Aspekte vergleichender Werbung
Die erste Frage, die sie daher stellt: Dürfen die das denn überhaupt?
Ich möchte das Thema hier nicht zu tief behandeln. Grundsätzlich gibt es in Deutschland das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und §6 besagt, dass vergleichende Werbung unter Einhaltung bestimmter Bedingungen zulässig ist:
- Objektiver Vergleich
- Keine Verwechslungsgefahr
- Keine Herabsetzung
Verboten ist zum Beispiel
- Irreführende Vergleiche: Werbung, die irreführende Informationen über das eigene oder das Produkt der Konkurrenz enthält.
- Verwechslungsgefahr: Werbung, die dazu führt, dass Konsument:innen ein Produkt fälschlicherweise mit einem anderen assoziieren oder verwechseln.
- Herabsetzung: Werbung, die darauf abzielt, das Image oder den Ruf eines Mitbewerbers herabzusetzen/ zu schaden.
Ich gehe stark davon aus, dass Tony’s sich hier abgesichert hat. Das für euch aber vielleicht als kurzer Hintergrund.
Die Werbepsychologie hinter vergleichender Werbung
Spannender ist natürlich: warum macht man vergleichende Werbung und wieso ist sie so wirkungsvoll?
Das „Was“ liegt auf der Hand. Im Fall von Tony’s steht vor allem das Ziel der Botschaft im Vordergrund. In der Regel geht es aber um eine positivere Positionierung im Vergleich zum Wettbewerb und damit auch mehr Absatz.
Zum „Wieso“ gibt es unterschiedliche Faktoren, die hier eine Rolle spielen.
Awareness und der Effekt der Überraschung
In erster Linie erzeugt vergleichende Werbung mal Aufmerksamkeit. Viele Konsument:innen stellen sich sofort die Frage „Darf er das?“ und das verbunden mit einem Gefühl, Neugier, Entsetzen, Spannung. Wir werden unweigerlich zu „Gaffern“ (nicht wertend gemeint). Wir wollen wissen, wie die Reaktion der Konkurrenz ist, gibt es Konsequenzen?
Diese Art von Awareness sorgt somit für eine verstärkte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Werbebotschaft und dadurch zu einer besseren Erinnerung oder Speicherung. Je nach persönlichen Determinanten, kann sich daraus eine Einstellung gegenüber dem Werbetreibenden bilden.
Doch Vorsicht: Durch die offensichtliche Nennung der Konkurrenz wird auch dessen Marke zumindest im Zusammenhang mit der Markenerinnerung aufgewertet
Kognitive Vorurteile
Kognitive Vorurteile sind inhärente Fehler im menschlichen Denken, die genenutzt werden können, um Personen zu überzeugen. Sog. Anchoring Bias treten auf, wenn Menschen sich bei ihren Entscheidungen stark auf die ersten Informationen verlassen, die sie bekommen. Wer sich im Fall von Tony’s also nicht unbedingt die Mühe macht, die Aktivitäten der anderen Marken zu hinterfragen und zu recherchieren, der wird Tony’s mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht geben und die Meinung teilen. Tatsächlich ist hier aber auch ein gewisses Vorwissen zur werbenden Marke nötig und oft auch schon eine positive Einstellung ihr gegenüber.
Emotionen und Storytelling
Und natürlich spielen Emotionen bei vergleichender Werbung eine besonders große Rolle. Oftmals wird vergleichende Werbung in Verbindung mit Humor dargeboten. Humor ist ein Schlüsselreiz. Es wird eine clevere Möglichkeit geschaffen, die Konkurrenz entsprechend darzustellen. Der Effekt der Überraschung verstärkt die Reizverarbeitung und –speicherung. Bei Tony’s kommt hier zudem eine klare, emotionale Botschaft für eine wichtige Mission. Social Proof und ein gewisser sozialer Druck verstärken die Botschaft.
Kognitive Schemata
Im Fall von Tony’s funktionieren Emotion, Storytelling und Awareness besonders gut, da sie mit der Aufmachung der Konkurrenzdarstellung (die eigene Verpackung im anderen Design) gewisse kognitive Schemata abrufen. Der/die Konsument:in hat beim Betrachten der Werbung viel zu verarbeiten. Vorwissen und Einstellungen in Bezug auf die Konkurrenz werden abgerufen. Das humoristische Element ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt, dass der/die Konsumentin vor eine offensichtliche Wahl gestellt wird: fair Schokolade oder nicht, was auch einen gewissen sozialen Druck erzeugt und auch das subjektiv erlebte Kaufrisiko erhöht.
All dies führt zu einer besseren Speicherung und Erinnerung der Marke Tony’s – konnotiert mit der gebildeten Einstellung.
Fazit
Tony’s Chocolonely hat mit ihrer Werbung auf jeden Fall für Aufsehen gesorgt. Ich persönlich finde sie auch sehr gelungen. Doch vergleichende Werbung will gut überlegt und geplant sein und vor allem rechtlich abgesichert, sonst schafft ihr mehr positive Awareness für die Konkurrenz als für euch selbst.
++ Es handelt sich in diesem Beitrag um unbezahlte Markennennung ++