Uncanny Valley

von Chrissy


#57 - Das Uncanny Valley Phänomen I Konsumentenpsychologie I Chrissy's Marketing Corner

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130.000 Dollar für menschliches Gesicht!

Das britische Unternehmen Geomiq startete im Auftrag eines bisher unbekannten Roboter-Entwicklers einen nahezu kuriosen Aufruf: Das Unternehmen sucht ein menschliches Gesicht für einen Roboter.

Noch ist nicht bekannt, um welche Art von Roboter es sich dabei handelt und wie genau dieser zum Einsatz kommt, aber das „Gewinner-Gesicht“ erhält eine Aufwandsentschädigung von 130.000 Dollar. Die Anforderungen sind lediglich, dass es ein „liebes und freundliches“ Gesicht sein soll – Alter, Geschlecht und Herkunft spielen dabei keine Rolle.

Gruselig oder innovativ?

Wer denkt jetzt nicht an die unheimlichen Szenen aus dem Film „I, Robot“? Tatsächlich muss die ausgewählte Person damit rechnen, dass ihr Gesicht ggf. zu hunderttausenden das Antlitz künstlicher Artgenossen zieren wird. Zwar sollen die Roboter weder militärischen noch sexuellen Einsatz haben, sondern laut Medien vielmehr ein „virtueller“ Freund für ältere Menschen.

Bedenkt man diesen Einsatz, stellt sich mir auch die Frage: warum kann ich keine echten Menschen für ihre Arbeit (z.B. Pfleger) anständig bezahlen oder Wohngemeinschaftsprojekte fördern? Warum werden Roboter entwickelt, die sich um unsere Mitmenschen kümmern sollen?

Rein vom technischen Standpunkt gesehen, könnte dies ein neuer Meilenstein im puncto künstliche Intelligenz sein und auch in anderen Bereichen und Branchen vielfältigen Einsatz finden, so z.B.

Ethisch gesehen – und diese Diskussion würde im Rahmen des Blogs viel zu weit gehen, aber ich freue mich auf reden Austausch dazu! – meiner ganz persönlichen Meinung nach doch etwas zwiespältig zu bewerten.

Das Uncanny Valley Phänomen

Wir wären nicht in der Marketing Corner, wenn wir hier nicht auch die (werbe-) psychologischen Aspekte berücksichtigen würden.

Habt ihr euch schon mal gefragt, warum wir menschenähnliche Roboter eigentlich so gruselig finden?

Dafür gibt es tatsächlich eine Erklärung – das sog. Uncanny Valley Phänomen.

Das Uncanny Valley Phänomen besagt, dass unsere Sympathie für künstliche Akteure steigt, je menschenähnlicher diese werden – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Diesen Punkt nennt man eben Uncanny Valley oder zu deutsch „das unheimliche Tal“. Hier fällt die Akzeptanz plötzlich rapide ab. Wenn die Akteure aber nahezu menschen-identisch werden, steigt die Akzeptanz wieder, wobei dieser Anstieg umstritten ist. Man geht heute eher von einem sog. Uncanny Cliff aus.

Uncanny Valley

Quelle: Masahiro Mori and Karl MacDorman at http://www.androidscience.com/theuncannyvalley/proceedings2005/uncannyvalley.html)

 

Das Phänomen wurde erstmals vom 1970 von einem japanischen Robotiker beschrieben. Bis heute kann man dafür keine gänzlich wissenschaftlich fundierte Erklärung finden, aber neueste Untersuchungen liefern zumindest einen Ansatz. Bei Studien mit Probanden, denen man im MRT Bilder mit verschiedenen Ausprägungen von Menschlichkeit zeigte, haben das Phänomen bestätigt. Dabei fand man heraus, dass man wohl im mittleren präfontalen Cortex die Informationen über Menschenähnlichkeit auswertet. Das Areal reagierte dabei am stärksten auf echte Menschen und am schwächsten auf künstliche. Zudem konnte eine hohe Aktivität der Amygdala (= Belohnungszentrum) festgestellt werden, wenn die Probanden Geschenke von menschenähnlichen Akteuren annahmen.

Zur ganzen Studie geht’s hier: https://www.scinexx.de/news/biowissen/wie-unser-gehirn-auf-roboter-reagiert/

Weitere psychologischen Erklärungsansätze

Medienpsychologisch: Maschinen oder abstrakte Avatare (also alles, was nicht darauf ausgelegt ist, möglichst menschlich auszusehen) werden vom Rezipienten als eigengesetzlich eingestuft und hinzugefügte menschliche Eigenschaften werden ihnen zugute geschrieben. Menschenähnliche Roboter hingegen werden als Menschen eingestuft und Mängel in Gestik, Mimik und Erscheinung werden ihnen Übel genommen.

Ausdruckspsychologisch: Menschen mit musterfremden oder abweichendem Ausdrucksverhalten erzeugen beim Rezipienten eine gewisse Aversion. Ein Roboter, der vorgibt menschlich zu sein, wird vom Beobachter intuitiv nach den gleichen Maßstäben bewertet wie ein echter Mensch und alles was davon abweicht, fällt negativ auf.  Ein häufiges Beispiel für eine solche Bewertung ist der Film „Der Polarexpress“, der dahingehend kritisiert wurde.

 

Insgesamt zeigt das Uncanny Valley Phänomen, dass es wohl noch zu große Diskrepanzen gibt.

Rein aus der Marketing-Perspektive: wir alle kennen doch diese furchtbar gestellten Stockbilder, auf denen man genau sieht, dass die Personen nicht wirklich lachen und glücklich sind (ein ganz bekanntes Phänomen aus der Flugbegleiterbranche = Surface Acting). Diese Bilder wirken nicht authentisch, wir finden sie nicht ansprechend. Und mit künstlichen Menschen verhält es sich ebenso.

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