Am 12. September hat das Europaparlament zum neuen Urheberrecht mit Leistungsschutz abgestimmt – eine seit vielen Monaten kritisch diskutierte Reform.
Doch um was geht es genau?
Hintergrund der Reform sind die seit vielen Jahren erhobenen Vorwürfe von Rechteinhabern (insbesondere Journalisten und Verleger), dass große Internetplattformen und Nachrichtenagenturen, wie Google, Facebook und Co. die Inhalte und kreativen Leistungen der Rechteinhaber online verwerten ohne diese entsprechend zu vergüten.
Bilder und Teile von beispielsweise Presseartikeln werden kopiert und kommerziell vermarktet, ohne dass deren Urheber dafür entlohnt werden. Besonders bitter ist diese Praxis vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen ihre Nachrichten online beziehen und der Ursprung dieser Inhalte bei Verlagen und Journalisten liegen, welche seit Jahren mit Auflagen- und Anzeigenrückgängen kämpfen.
Das neue Urheberrecht soll nun genau das regeln. Im Wesentlichen geht es dabei um drei zentrale Fragen:
- Wie lässt sich verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Internetplattformen geladen werden?
- Wie können Journalisten und Verleger finanziell beteiligt werden, wenn Internetkonzerte wie Google deren Inhalte in Teilen) auf beispielsweise Website wie Google News veröffentlichen?
- Inwiefern müssen Technologien – ein sog. „Upload-Filter“ – eingesetzt werden, um das Leistungsrecht zu gewährleisten?
Klingt gut? Ja und nein.
Denn die Diskussion wäre nicht so umstritten, wenn Kritiker nicht auch Nachteile hinsichtlich digitaler Innovation und Pressefreiheit sehen würde.
Auslöser dieser Annahme ist der umstritten „Upload-Filter“, welcher zwar nicht beschlossen, aber auch noch nicht vom Tisch ist. Plattformen wie YouTube oder Facebook sollen künftig, die von Usern hochgeladenen Inhalte auf Urheberrechtsverstöße überprüfen müssen. Das Gefährliche daran ist die Fehlerhaftigkeit solcher Technologien. So sollen sie beispielsweise nicht zwischen urheberechtlich geschützten Inhalten und z.B. Zitaten aus diesen oder Parodien unterscheiden können. Dies würde einen massiven Einschnitt in die Kreativität von Contenterstellern und die Verbreitung von Inhalten bedeuten.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft“ spricht sogar von einem „unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit im Netz“ und der „eco-Verband der Internetwirtschaft“ von „Zensurinfrastrukturen“.
Alles in allem fürchtet man, eine Grundlage für den Untergang (überspitzt gesagt) von genau dem zu schaffen, was man so dringend versucht zu schützen: die (digitale) Pressefreiheit
Was könnte das neue Gesetz für uns in der Praxis bedeuten?
1. Wen betrifft’s?
Nach Wortlaut der EU betrifft das neue Gesetz nur Unternehmen, die „Anbieter von Online-Inhaltsweitergabediensten“ („Online Content Sharing Service Providers“) sind, „bei denen einer der Hauptzwecke darin besteht, wesentliche Mengen an von Nutzern dieser Dienste hochgeladenen beziehungsweise bereitgestellten urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder als Stream wiederzugeben“.
Zudem bezieht sich die Definition auch auf Anbieter, die Inhalte „durch Wiedergabe, Verschlagwortung, Verwahrung und Sequenzierung der hochgeladenen Werke“ oder auf andere Weise „optimieren und zum Zwecke der Gewinnerzielung bewerben und folglich aktiv handeln“. Das beinhaltet letztendlich alle Dienste mit nutzergenerierten Inhalten, die Werbung in ihre Inhalte integrieren und/ oder Inhalte verwalten und deswegen an deren Wiedergabe beteiligt sind.
Ausgeschlossen sein, sollen kleine und mittlere Unternehmen, nicht-kommerzielle Dienste (wie beispielsweise Online-Enzyklopädien) oder Anbieter, die den Inhalt mit Zustimmung des Rechteinhalts im bildungsbezogenen oder wissenschaftlichen Kontext hochladen.
Betreiber von Cloud-Diensten mit „individueller Nutzung ohne direkten Zugang für die Öffentlichkeit“ und Entwicklungsplattformen für freie Software und Online-Marktplätze sollen ebenfalls ausgeschlossen sein.
Wichtig auch: ein privater Gebrauch von Auszügen aus Artikeln soll erlaubt sein, wobei aber noch nicht klar ist, ob das beispielsweise auch für kleinere, werbefinanzierte Blogs gilt.
Weitere Punkte:
- Die Listung in Suchmaschinen wird nicht als „faire und angemessen Vergütung“ angesehen
- Das Leistungsrecht soll sich nicht auf das Verknüpfen von Hyperlinks beziehen: reine Verlinkungen sollen erlaubt bleiben, wenn sie nur einzelne Wörter enthalten
- Links zu Artikeln, die ganze Überschriften enthalten, dürften voraussichtlich nicht mehr ungefragt im gewerblichen Umfeld gesetzt werden
- Sachinformationen in journalistischen Beiträgen sollen außen vor bleiben.
Es sollen hier wohl standardisierte Verfahren eingeführt werden, wie welche Art Unternehmen und Anbieter, was zu regeln und zu kennzeichnen hat.
Ehrlicherweise lassen diese ganzen – für meinen Geschmack doch etwas weit gefassten Definitionen – meine Alarmglocken schrillen und 25.-Mai-DSGVO-Stichtag-artige Flashbackszenen vor meinem geistigen Auge auftauchen (wer damit zu tun hatte, weiß, was ich meine).
2. Was ist mit Zitaten, Parodien und den geliebten Memes?
Da die Inhalte hier oft in neuen Kontext gebracht und/ oder geringfügig abgeändert werden und oftmals in Verbindung mit neuer Kreativleistung stehen, besteht hier noch Rechtsunsicherheit. Es soll womöglich eine spezifische Ausnahme eingeführt werden, wonach wonach die rechtmäßige Nutzung entsprechender Auszüge „in selbst erstellten Ausdrucksformen“ zulässig ist.
Dennoch sollen die „legitimen Interessen des Rechtsinhabers nicht unbillig verletzt werden“. Bewertet werden müssten dabei „das Maß der Originalität des jeweiligen Inhalts, die Länge beziehungsweise der Umfang des verwendeten Zitats oder Auszugs, die Professionalität des jeweiligen Inhalts oder das Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens“.
Außerdem dürften die Persönlichkeitsrechte der Urheber nicht geschädigt werden.
Und hier sind wir wieder bei der Kritik zu den Upload-Filtern: solche schwierigen Abwägungen lassen sich von Algorithmen nur schwer angemessen treffen, weshalb befürchtet wird, dass Upload-Filter solche Inhalte – auch wenn sie eigentlich legal wären – blocken oder löschen würden.
Und natürlich gibt es auch noch eine kleine Ausnahme: Plattformbetreiber können sich nicht auf die „Meme-Ausnahme“ berufen – dies gilt nur für User, die Inhalte generieren und nicht auf deren Uploads auf Online-Plattformen.
3. Google-Bildersuche
Ok, dass man an Bildern, die man veröffentlicht, auch die Rechte haben sollte, ist klar. Deshalb macht man sie am besten selbst oder man bezahlt für ihre Rechte z.B. bei Stockanbietern. Anbieter, wie Google Images, die „automatisch wesentliche Mengen urheberrechtlich geschützter visueller Werke vervielfältigen oder darauf verweisen und zum Zwecke der Indexierung und Referenzierung der Öffentlichkeit zugänglich machen“, sollen künftig aber auch Lizenzen mit den Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften abschließen. Meine Befürchtung hier ist ein absoluter Bürokratie-Wahnsinn und vor allem bin ich gespannt, wie das in der Praxis umgesetzt wird.
Fazit
Im Grunde sind sich eigentlich alle einig: Rechteinhaber sollten für ihre Leistung entlohnt werden, weshalb das zuvor bestehende EU-Urheberrecht aus dem Jahr 2001 dringend reformbedürftig war und auch nach wie vor ist. Zur damaligen Zeit wurden Internetdienste, wie Facebook, Google, YouTube und Co. noch nicht berücksichtigt. Dass es hier eine neue Regelung geben musste, war dringend notwendig. Nur ob sie mit dem Beschluss vom 12. September zeitgemäß für das digitale Zeitalter ist, bezweifeln dennoch einige.
Noch sind die Uploadfilter nicht beschlossen. Ein Urteil wird hier jedoch mit Spannung erwartet und kann das Internet, so wie wir es kennen, maßgeblich verändern.