Wie ihr in meinem letzten Beitrag zum Thema Marketing am POS gesehen habt, hat das Kaufverhalten von Konsumenten viel mit deren Wahrnehmung und den vielfältigen Reizen in ihrer Umgebung zu tun.
Deshalb wird gerade am POS auf die multisensorische Erlebbarkeit von Produkten Wert gelegt. Es ist daher wohl kaum eine Überraschung, dass es einen Zweig im Marketing gibt, der sich ausschließlich damit beschäftigt: multisensorisches Marketing
Was bedeutet multisensorisches Marketing?
Multisensorisches Marketing ist „eine Spezifizierung des Marketings, bei der die systematische Ansprache des Konsumenten durch möglichst viele Sinne im Fokus steht“.[1]
Sprich: man versucht Produkte und Werbung so zu gestalten, dass sie möglichst viele Sinne beim Konsumenten ansprechen.
Man verspricht sich dadurch eine bessere und vor allem intensivere Ansprache des Kunden. Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass wir als Menschen und Konsumenten eine Sache sehr gut können: Selektieren. Gerade in Zeiten des Information Overload ist es deshalb für Unternehmen immer schwerer, Konsumenten richtig und gezielt anzusprechen, um so ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Von multisensorischem Marketing erhofft man sich durch die Ansprache mehrerer Sinne und/ oder intensive Ansprache eines Sinns, die Aufmerksamkeit der Konsumenten wieder zu gewinnen, um so natürlich auch deren Kaufbereitschaft zu erhöhen.
Dabei gibt es entsprechend der Sinneswahrnehmung fünf verschiedene Stellschrauben:
- Visuelles Marketing
- Auditives Marketing
- Olfaktorisches Marketing
- Gustatorisches Marketing
- Haptisches Marketing
1. Visuelles Marketing
Den Großteil der Informationen (83%), die ein Mensch aus seiner Umgebung wahrnimmt, nimmt er über die Augen auf. Ein Mensch verarbeitet pro Stunde durchschnittlich 35.000 Eindrücke mit den Augen.[2]
Die Bedeutung des Sehsinns spielt deswegen nicht nur bei der Werbung eine große Rolle, sondern beginnt bereits bei der Gestaltung eines Produktes. Form, Farbe, Größe, Licht und Schatten – all das sind Elemente, die dabei zu berücksichtigen sind, da sie eine bestimmte Emotion im Konsumenten auslösen können.[3]
Besonders Farben sind dabei ein wesentliches Gestaltungselement. Sie können beim Konsumenten sowohl positive, als auch negative Emotionen und Assoziationen hervorrufen. Die Farbe Rot beispielsweise wird einerseits mit „Liebe“, „Feuer“ und „Leidenschaft“ in Verbindung gebracht, löst andererseits allerdings auch Assoziationen zu „Blut“, „Aggression“ und „Wut“ aus. Dabei spielen nicht nur die einzelnen Farben eine wichtige Rolle, sondern auch ihre Kombination. So wird die Farbe Hellblau kombiniert mit Rosa oft mit Adjektiven, wie „zart“ und „kindlich“ in Verbindung gebracht.[4] Im Internet gibt es eine Farbe, die als die „stärkste Farbe des Web“ bezeichnet wird. Es wurde nachgewiesen, dass der Blauton mit der Bezeichnung „#0044CC“, den zum Beispiel Facebook verwendet, auf Grund seines besonderen Mischverhältnisses, die mit Abstand höchste Klickrate aufweist. Die Wahl der richtigen Farben ist für werbetreibende Unternehmen somit ein entscheidender Faktor.
Neben der Farbe ist aber vor allem auch die Verwendung von Bildern überaus relevant, da diese beim Betrachter ein sehr hohes Aufmerksamkeits- und Aktivierungspotential auslösen. Bilder vermitteln dem Konsumenten einen höheren Informationsgehalt als beispielsweise Textelemente, weswegen sie länger und aufmerksamer betrachtet werden.[5] Besonders wirksam sind hier wie ihr wisst, die sog. Schlüsselreize, wie z.B. das Kindchenschema.
Ein weiteres wichtiges visuelles Gestaltungsmittel ist die Typographie bzw. die Schriftgestaltung. Die Erkennbarkeit, Lesbarkeit und Auswahl des geeigneten Schrifttyps in Verbindung mit einer passenden räumlichen Gliederung und Gestaltung des Textes tragen wesentlich zum Aufmerksamkeitspotential des Konsumenten bei und beeinflussen dessen Empfindungen.[6]
2. Auditives Marketing
Neben den visuellen Reizen werden im Marketing allerdings auch den Auditiven eine große Bedeutung zugeschrieben. 11 % der Informationen aus seiner Umgebung nimmt der Mensch mit den Ohren wahr.[7] Wichtig ist auditives Marketing vor allem bei der Inszenierung von Marken, dem sogenannten „Audio-Branding“. Der Hörsinn ist der erste Sinn, der beim menschlichen Embryo entwickelt wird und zudem nicht bewusst ausgeblendet werden kann.[8] Der Schall, den Menschen wahrnehmen, wird im Gehör in elektrische Impulse umgewandelt, die wiederum direkt an das limbische System weitergeleitet werden und somit Emotionen auslösen.[9] Unternehmen haben erkannt, wer in der Lage ist, Töne und Klänge in seiner Werbe- und Markenbotschaft richtig einzusetzen, der kann seinen Umsatz steigern und seine Wettbewerbsposition ausbauen. Elemente eines guten Markenklangs sind dabei dessen Omnipräsenz, sein hoher Wiedererkennungswert, seine Emotionalität und dass er ohne ein begleitendes Bild funktioniert. [10]
Im Rahmen des auditiven Marketings gibt es dabei verschiedene Komponenten. Eine davon ist die sogenannte „Soundidentity“. Sie ist sozusagen die Basis und als akustische Identität zu verstehen, die die emotionalen Komponenten und die kommunikativen Aussagen, die der Konsument mit der Marke in Verbindung bringen soll, transportiert. Zum Ausdruck gebracht wird sie durch den „Corporate Sound“. Dieser beinhaltet alle akustischen Elemente der Marketingstrategie. Zu diesen Elementen gehören „Soundlogo“, „Jingle”, „Corporate Voice“, „Corporate Soundscape“, „Corporate Song“ und „Hymn“. Das „Soundlogo” ist das akustische Äquivalent zum visuellen Logo und bringt den musikalischen Markenkern auf den Punkt. Es ist kurz, unverwechselbar, emotional und soll eine gewisse Stimmung beim Konsumenten erzeugen. Der „Jingle“ ist eine ausführlichere Version des „Soundlogos“ und wird oft von einem verbalen Werbeversprechen begleitet.
3. Olfaktorisches Marketing
Riechen ist der einzige Sinnesreiz der ungefiltert in das limbische System weitergeleitet wird und somit eine besonders starke emotionale Reaktion auslöst, wobei unangenehme Geruchserfahrungen wesentlich stärker wirken als Schöne.[11] Als besonders störend werden dabei vor allem Schweiß, verbrauchte Luft und Sanitärgerüche empfunden. Hingegen der Geruch nach Blumen, Meer, Kaffee, Zitrus und frischen Gebäck als besonders positiv.[12]
Zur erfolgreichen Umsetzung olfaktorischen Marketings gehören dabei fünf Aspekte. Der erste betrifft das Produktdesign. Bereits hier werden Gerüche impliziert, um positive Konnotationen hervorzurufen, wie beispielsweise der bestimmte Geruch eines Neuwagens. [13] Der Automobilhersteller Cadillac zum Beispiel bearbeitet das Leder für seine Fahrzeugsitze entsprechend, bis der natürliche Geruch von Leder neutralisiert ist.
Neben dem Design des Produktes ist auch das Design der Verpackung zu berücksichtigen. So kann der Geruch einer Verpackung den Anschein erwecken, das Produkt wäre besonders wertig, so wie es bei vielen Kosmetika der Fall ist.
Als Weiteres ist der Point of Sale zu berücksichtigen. Dass die Beduftung des Point of Sale positive Auswirkungen auf den Absatz hat, bewies eine Studie der Universität Paderborn von 1996. In knapp 200 Sportfachgeschäften in Deutschland konnte beobachtet werden, dass durch das Implizieren von Duftstoffen die Beratungsbereitschaft der Kunden um 18,8 % stieg, ihre Verweildauer um 15,9 %, die Kaufbereitschaft um 14,8 % und der Umsatz um bis zu 6 %.[14]
Als letzter, aber zunehmend bedeutungsvoller Aspekt ist der Einsatz olfaktorischen Marketings auf Messen und Verkaufsausstellungen zu nennen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Auftritt der Vodafone AG auf der CeBIT 2007, der weltweit größten Messe für Informationstechnik. Elke Kies, die Inhaberin von Magic Box, einer Agentur, die sich auf olfaktorisches Marketing auf Messen spezialisiert hat, kombinierte für die einzelnen Bereiche des Messepavillons von Vodafone verschiedene fein ausgewählte Duftgemische aus ausschließlich natürlichen Komponenten. So wurde beispielsweise im Catering-Bereich ein asiatischer Zitrusfrüchte-Duft impliziert, der ausgleichend und vitalisierend wirken sollte. Eine Befragung der Besucher auf der CeBIT bestätigte die positive Wirkung der eingesetzten Düfte. 12 % der Befragten fanden das Klima und den Duft auf der Messe allgemein angenehm, wohingegen 44 % es am Vodafone Pavillon als besonders angenehm empfanden. Analog zur bereits oben angeführten Studie der Universität Paderborn, konnte auch hier die Verweildauer um 16 % gesteigert werden und die positive Produktbewertung sogar um 33 %.[15]
4. Gustatorisches Marketing
Über die Zunge können lediglich vier verschiedene Geschmäcker wahrgenommen werden. Diese sind süß, sauer, bitter und salzig (Umami, welches durch Glutamate hervorgerufen wird und oft als sechster Geschmackseindruck bezeichnet wird, kann hier vernachlässigt werden). Den Großteil der Geschmacksvielfalt machen Aromen aus, die durch den Geruchssinn wahrgenommen werden und 80 bis 90 % der gesamten Geschmackswahrnehmung ausmachen.[16] Im Marketing kommt der Geschmackssinn vor allem bei der Produktgestaltung von Nahrungs- und Genussmitteln zum Einsatz. Durch Geschmacksstoffe sollen beim Konsumenten der Genusswert gesteigert und eine Abgrenzung zur Konkurrenz geschaffen werden. Der Kunde soll Präferenzen entwickeln, die wiederum sein Kaufverhalten beeinflussen sollen.[17]
In vielen Geschäften und Supermärkten finden sich Probierstände, an denen der Konsument das Produkt selber erleben kann. Hier können Unternehmen gezielt Marktforschung und Eigenwerbung betreiben und die Geschmackspräferenzen der Kunden vor Ort durch etwa vergleichende Tests von Lebensmitteln erforschen.
In der Werbung ist es nicht möglich dem Konsumenten das Geschmackserlebnis durch Probieren zu ermöglichen. Deswegen muss dieser Sinn stets von anderen Sinnen begleitet werden, so zum Bespiel durch die verbale Beschreibung des Geschmacks. Um beispielsweise das besondere Aroma eines Kaffees zu verdeutlichen, wird dieser oft mit Adjektiven wie „vollendet“ oder „anregend“ beschrieben, womit beim Konsumenten bestimmte Assoziationen ausgelöst werden sollen.[18] Ein weiteres Beispiel ist die Kombination von Geschmack und Hören. Die Firma Bahlsen hat das optimale Geräusch für den Verzehr eines Kekses analysieren lassen, so dass der Konsument durch das Geräusch des ersten Zubeißens das Produkt von anderen unterscheiden kann. Das Geräusch des „Knackens“ wurde als Indikator für Qualität, Frische und Knusprigkeit identifiziert, mit welchen der Konsument ein besonderes Geschmackserlebnis assoziiert.[19] Obwohl die Übermittlung des Geschmacks an sich in der Werbung nicht möglich ist, so haben werbetreibende Unternehmen durch die Kombination mit anderen Sinnen vielfältige Möglichkeiten für dessen Inszenierung.
5. Haptisches Marketing
Die Bedeutung der Haptik für den Menschen rührt von seiner Entwicklung her. Babys erkunden ihre Umwelt als erstes mit den Händen und mit den Lippen. So erkunden sie bis hin ins Erwachsenenalter Form, Gewicht, Textur, Temperatur, Konsistenz und Funktion von Objekten.[20]
Im Marketing spielt die Haptik in drei Bereichen eine zentrale Rolle. Zum einen im Produktdesign. Hier soll das Produkt gegenüber Konkurrenzprodukten emotionalisiert und differenziert werden. Im zweiten Bereich, der Markenkommunikation, soll eine emotionale Profilierung, Differenzierung und Erhöhung der Werbeeffizienz erreicht werden. Im dritten Bereich, dem Verkauf, dient die Haptik beispielsweise als Erklärung des Produktes bzw. sie macht dessen Nutzen erlebbar und trägt zur Erhöhung der Kaufbereitschaft bei.[21]
In der konkreten Anwendung werbetreibender Unternehmen ist haptisches Marketing vor allem bei Printmedien besonders beliebt, wie etwa in Form von verschiedenen Prägungen und Druckveredelungen oder besonderer Papiersorten.[22] Allerdings kommt es auch in moderneren Ansätzen zum Einsatz, wie beispielsweise Augmented Reality.
[unbezahlte Markennennung]
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Quellen zum Nachlesen
[1] Gohr [2011], S. 22.
[2] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 142.
[3] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 144.
[4] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 153.
[5] Vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg [1999], S. 256.
[6] Vgl. Meffert [2000], S. 801.
[7] Vgl. Braem [2007], S. 192.
[8] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 100.
[9] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 99.
[10] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 79.
[11] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 130.
[12] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 131.
[13] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 132.
[14] Vgl. Stöhr [1998], S. 140 ff.
[15] Vgl. Multisense Institut [2013], o.S.
[16] Vgl. Fries/ Knoblich [1996], S. 62 f.
[17] Vgl. Fries/ Knoblich [1996], S. 64.
[18] Vgl. Fries/ Knoblich [1996], S. 67.
[19] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 137.
[20] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 173.
[21] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 175.
[22] Vgl. Gierke/ Nölke [2011], S. 192.