Werbung ist Manipulation! Der Faktencheck.

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Seit jeher dürfen sich Marketer anhören, dass Werbung und Marketing Manipulation seien. Wie ihr wisst, wehre ich mich als Werbepsychologin vehement gegen diesen Vorwurf. Mein Anspruch ist stets: Werbemaßnahmen so zu gestalten, dass die für den Rezipienten relevant und interessant sind.

Dennoch werde ich immer wieder auf dieses Thema angesprochen. Gefühlt wollen meine Gegenüber auf Teufel komm raus von mir die Bestätigung hören, dass meinesgleichen die Welt zu hirnlosen Konsumzombies macht.

Anlass für mich, mal ganz faktenbasiert mit diesem Thema aufzuräumen und zu erklären, warum – Spoiler – Marketing und Werbung uns nur so weit beeinflussen, wie wir es zu lassen und KEINE Manipulation sind.

Woher kommt der Vorwurf der Manipulation?

„Iss Popcorn“ „ Trink Cola“. So lauteten die vermeintlichen subliminalen Botschaften, die James Vicary in seinem Experiment in den 1950er Jahren Kinobesuchern während einer Vorstellung unterjubelte. Die Botschaften seien jeweils alle fünf Sekunden für Sekundenbruchteile während des Films eingeblendet worden.  Weil sie so kurz waren, wurden sie vom Publikum nicht bewusst wahrgenommen. Die Werbebotschaft sei aber direkt ins Unterbewusstsein gelangt und habe dazu geführt, dass der Absatz von Cola um 18% und der von Popcorn sogar um 58% gestiegen sei.

Vicary hatte somit eine Methode zur unbewussten Manipulation entdeckt – vermeintlich. Denn wie sich schnell herausstellte, waren die Ergebnisse gefälscht. Das Experiment wurde mehrfach von anderen Wissenschaftlern wiederholt. Niemand kam zum gleichen Ergebnis. Irgendwann gab Vicary den Betrug zu.

Leider hält sich das Gerücht mit den manipulativen Subliminalen Botschaften bis heute. Werbung wird die Macht zugeschrieben, Konsument:innen derart zu beeinflussen, dass sie „unbewusst“ kaufen.

Um euch zu zeigen, dass das so nicht stimmt, gehe ich mal wieder auf den Prozess der Wahrnehmung ein.

Wahrnehmung und Aktivierung

Fangen wir bei den Basics an: Der Prozess der Wahrnehmung und Aktivierung. Hierzu ziehe ich mal wieder mein alt bekanntes Black-Box-Modell heran:

Stimulus-Organismus-Response-Modell

Quelle: in Anlehnung an Meffert, H./Burmann, Ch./Kirchgeorg, M. (2012): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, S. 103, 11. Auflage, Wiesbaden.

 

Wahrnehmung beschreibt also ganz simpel den Prozess, bei dem ein externer Reiz (wie beispielsweise Werbung) vom Rezipienten wahrgenommen, verarbeitet wird (kognitive und aktivierende Prozesse) und dies dann zu einer Handlung führt (z.B. Kauf). Die genauen Abläufe könnt ihr hier in meinen Beiträgen nochmal nachlesen (Kognitive Prozesse und Aktivierende Prozesse).

Für die Werbung bedeutet das also:

  • Der Reiz muss den Rezipienten zeitlich und örtlich erreichen
  • Er muss in der Lage sein, ihn wahrzunehmen
  • Kognitive und aktivierende Prozesse müssen dazu führen, dass er eine positive Reaktion auslöst

Wir ihr vielleicht schon merkt: Da gibt es ganz schön viele Stolperfallen auf dem Weg zur sog. Response und diese Stolperfallen werden nicht nur extern, sondern vor allem auch intern beeinflusst.

Ein ganz wichtiger Faktor ist hier das Involvement, also der Grad der Bereitschaft einer Person, sich mit einer Botschaft überhaupt auseinanderzusetzen.  Befindet sich die Person im High Involvement, dann ist sie empfänglicher für die Botschaft. Befindet sie sich im Low Involvement (wie das die meiste Zeit der Fall ist), ist sie weniger bis gar nicht empfänglich. Das genaue Prinzip des Involvements könnt ihr hier nochmal nachlesen.

Je nach Art des Involvements ist auch die initiale Aktivierung eine andere, ähnlich einer Kaltakquise oder eines warmen Leads. Natürlich ist es möglich, eine low involvierte Person in eine high involvierte Person zu konvertieren, aber das ist ein langer Prozess, welcher auf dem Interesse des Empfängers beruht, welches erregt und gesteigert werden kann oder auch nicht.

Das Ob, hängt stark mit der Zielgruppe zusammen. Ihr werdet es nicht schaffen, Baby-Windeln an Personen ohne Verwendungszweck für das Produkt zu verkaufen oder gar ein Steak an einen Veganer.

Stellen wir allerdings Bedarf am beworbenen Produkt fest (= Veränderung des Involvements), so werden wir empfänglicher für dessen Bewerbung und kann unsere Entscheidung diesbzgl. beeinflussen.

„Das funktioniert in der Regel, indem man diesem Produkt einen Wert gibt, der dem Konsumenten das Gefühl gibt: Das ist wertvoll. Und was erzeugt einen Wert? Das ist relativ einfach: Es sind Emotionen, die der Welt Sinn, Wert und Bedeutung geben“

Hans-Georg Häusel, Psychologe

Mal angenommen, ihr wollt euch ein neues Auto zulegen, dann fällt euch die passende Werbung hierzu verstärkt auf. Sicherlich fällt euch auch auf einmal auf, wie viele andere Personen genau diesen Wagen fahren. Das nennt man selektive Wahrnehmung. Je relevanter die Kaufentscheidung für uns wird, umso eher erinnern wir uns auch an entsprechende Werbung – vor allem, wenn diese mit Rabatten und Aktionen wirbt (das kann unsere Entscheidung erleichtern).

Ein weiteres Beispiel, dass das sehr schön veranschaulicht: Urlaub. Es gibt Phasen, da seid ihr wortwörtlich urlaubsreif. Anzeigen und Plakate von Reiseanbietern fallen euch dadurch vermehrt auf und sprechen euch mehr an, als wenn ihr euch nicht in einer solchen Phase befindet. Euer aktueller Gemütszustand macht euch also empfänglicher für die Botschaft.

Ihr seht schon, da gehört einiges mehr dazu, als plump einen Werbespot gezeigt zu bekommen und dann kaufen wir.

Anmerkung: Die Prozesse der Wahrnehmung und die verschiedenen Einflussfaktoren sind hier bewusst einfach gehalten und auf das Wesentliche reduziert.

 

Starke Marken, Emotionen und das Fan-Prinzip

Nun darf man in diesem Zusammenhang aber eines nicht außer Acht lassen, was eventuell sogar ein bisschen auf der Haben-Seite der Manipulationsbefürworter steht: Es gibt starke und bekannte Marken, sog. Love Brands, die es schaffen, dass Konsument:innen ihre Produkte kaufen, ohne groß darüber nachzudenken.

Zur Entstehung solcher Love Brands möchte ich euch auch wieder auf einen anderen Artikel von mir verweisen.  Hier spielen Elternhaus und soziales Umfeld eine große Rolle sowie der Effekt der emotionalen Konditionierung.

Im Rahmen des berühmten Coke-Pepsi Tests konnte der Einfluss starker Marken auf Konsumpräferenzen und Wahrnehmung nachgewiesen werden. Des Weiteren zeigt der Halo Effekt, dass die positiven Eigenschaften, die man einer Marke zuschreibt, von Konsument:innen auf Submarken und Produkte der Marke übertragen werden können, was wiederum positiven Einfluss auf die Wahrnehmung und Kaufbereitschaft hat.

Eng einher mit der Liebe zu Marken geht das sog. Fan-Prinzip. Hier lassen sich allerdings eindeutige Gefahren erkennen: wenn hier beispielsweise vom sog. „fanatischen Fan“ oder der nächst höheren Stufen vom „besessenen Fan“ sprechen, also solchen, wo die Grenzen zur Realität verschwimmen. Das kann noch recht harmlos sein: Ich kaufe ein Apple Produkt aus Prinzip.

Oder sogar gefährlich: Ich stalke eine berühmte Person (auch Personen können Marken sein)

Insgesamt sind Marken ein stark emotionsgetriebenes Thema und überall, wo Emotionen eine Rolle spielen, besteht auch Platz für Wahrnehmungsverzerrung. Hier kann es dann auch zu dem Punkt kommen, wo die Liebe zur Marke tatsächlich das Kauverhalten in gewisser Weise manipuliert – wobei das Wort „beeinflusst“ treffender ist.

Das Paradebeispiel schlecht hin, ist hier ja immer Apple. Apple gilt allgemein hin als Love Brand und wird von vielen als Vorreiter in puncto Technologie und Design betrachtet. Was hier also mit hineinspielt, sind zum einen sog. First Mover Effekte und zum anderen, dass Apple gewisse Markenassoziationen über Jahre hinweg kreiert hat, die stark an positive Emotionen geknüpft sind. Ihre Kombination aus Design, einfacher Bedienbarkeit, Lifestyle und dem geschlossenen Ökosystem bedient eine Vielzahl an Konsumermotiven, so dass ihre Konsument:innen in der Regel Fans und zwar häufig „fanatische Fans“ (nicht im negativen Sinne) sind.

 

Kleine Marketing-Kniffe: „Die psychologischen Tricks“

Nun kann man die Begeisterung für Marken und das Argument, warum Konsument:innen im Fall von Love Brands so reagieren, ja vielleicht noch nachvollziehen. Doch wie sieht es mit den kleinen psychologischen Tricks aus, die wir Marketer nach bester Dumbledore-Marnier hervorzaubern, um euch alle zu Konsumzombis zu machen?

Ja, es gibt sie. Sind sie böse? Nein.

Natürlich kann man sich Effekte der Preispsychologie (Rabatte, Streichpreise), Farben, Gerüche und Co. (Stichwort Multisensorisches Marketing) zu Nutze machen. Diese sind letztendlich alle Trigger der Aktivierung. Und wie ihr ja jetzt wisst: Damit diese wirken, müssen sowohl die Umweltbedingungen als auch die kognitiven und aktivierenden Bedingungen beim Rezipienten stimmen.

Exkurs: Warum Remarketing keine Magie ist

Nun möchte ich noch auf ein Thema eingehen, dass wir in Zeiten von Social Media nicht außer Acht lassen dürfen: Remarketing.

Ihr warte gerade auf der Seite eines Online Shops und Schwupps, ihr bekommt auf Instagram eine Werbeanzeige desselbigen? Ja Guten Morgen. Da habt ihr auch schon die Antwort, warum ihr entsprechende Werbung ausgespielt bekommt. Remarketing hängt ganz einfach mit eurem eigenen digitalen Fußabdruck und eurem Online Verhalten zusammen. Wo akzeptiert ihr Cookies? Welche Rechte gebt ihr Apps? Was erlaubt ihr Alexa, Siri und Co.?  Das Ethik-Fass möchte ich hier gar nicht aufmachen. Fakt ist aber: Ihr seid selbst für die (Online) Werbung, die ihr seht, verantwortlich.

Außerdem ist hier zu erwähnen, dass dieser Bereich des Marketings durch den Gesetzgeber sowieso bereits soweit eingeschränkt wurde, dass es für Unternehmen immer schwerer wird, euer Verhalten zu tracken, Stichwort 3rd Party Cookies und auch auf das iOS 14.5 Update möchte ich hier nochmal verweisen. Dieses Update ermöglicht es euch, personalisiertes Tracking (nicht allgemein Werbung – hierzu gerne auch nochmal der passende Beitrag von mir) zu unterbinden.

Mit eurer Zustimmung und eurem Internetverhalten habt ihr also einiges selbst in der Hand.

Grenzen: Wann Werbung gefährlich sein kann

Das Thema Ethik hatte ich ja gerade bereits angesprochen. Ich bleibe dabei, dass ich das Fass rund um Google, Facebook, Amazon und Co. nicht aufmachen möchte.

Dennoch gibt es aber klare Grenzen, wann Werbung tatsächlich Manipulation und sogar gefährlich ist. Was ich hier aber vorweg schicken möchte: Das, was hier häufig als Manipulation bezeichnet wird, ist in der Regel (illegale) Irreführung für welche es ganz klare, gesetzliche Vorgaben gibt. Sobald einer Person beispielsweise nicht bewusst ist, dass sie etwas kauft, durch irreführende Bestellprozesse, Abofallen und C. ist das Irreführung und keine Marketing-Magie. Der Gesetzgeber hat insbesondere im Online Bereich ganz klare Vorgaben, wie Bestellprozesse, Darstellungen und Wordings gestaltet sein müssen.

Ein besonderes Thema auf das ich eingehen möchte, ist Werbung für Kinder. Hier sind die Grenzen zugegebenermaßen sehr difficil. Kinder werden durch Werbung ganz klar getriggert und durch häufig stereotype Reize dazu gebracht, ein Produkt zu wollen. Das kindliche Gehirn ist hier schlicht noch nicht so auf selektive Wahrnehmung ausgebildet, wie das von Jugendlichen und Erwachsenen. Hier gibt es ja glücklicherweise immer noch die Erziehungsberechtigen als „Filter“. Außerdem hängt es auch davon ab, wie und wie oft Kindern solchen Botschaften ausgesetzt werden. Auch hier gibt es zumindest in der Werbung klare gesetzliche Vorgaben (z.B. im TV) und ansonsten hängt es tatsächlich viel davon ab, was Eltern in welchem Maß erlauben (Handy, Internet, TV).

Abschließend möchte ich hier aber sagen: Überall dort, wo Werbung anderen Schaden zufügen kann, sind Grenzen aus meiner Sicht überschritten. Wir haben glücklicherweise in vielen Bereichen klare gesetzliche Regelungen. Dennoch ist es schwer zu  verhindern, dass nicht doch mal das ein oder andere schwarze Schaf eine Lücke findet.

Daher möchte ich nochmal betonen und auch einen kleinen Appell an meine Branche herausgeben: Gestaltet Werbung so, dass sie relevant und interessant ist und nicht manipulativ und ausnutzend.

Und mein Appell an alle Konsument:innen: Manipulation ist ein gefährliches und negatives Wort. Ja, Werbung beeinflusst. Aber ihr selbst bestimmt das Maß der Beeinflussung.

Zusammenfassend noch einmal

  • Werbeeinfluss hängt vor allem von persönlichen Involvement und der Aktivierung ab
  • Involvement lässt sich nicht erzeugen, wohl aber bedienen bzw. bestärken

es geht nicht darum OB man das Produkt möchte, sondern WO und wie schnell das Produkt konsumiert/ gekauft wird – und hier kann man den ein oder anderen Kniff anwenden um als Marke geliebt zu werden, oder genau in dem Moment das subjektiv beste Angebot zu liefern.

Parodie in der Werbung

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Vermutlich erinnern sich viele von euch an die Werbung von Smart „Der Smart fortwo – so gut im Gelände wie ein Geländewagen in der Stadt“, in welcher Smart sich selbst, aber auch die „großen“ Konkurrenten mit ihren Vor- und Nachteilen auf die Schippe nimmt.

Oder erinnert ihr euch an die Parodie des „Supergeil“-Spots von Edeka mit Friedrich Liechtenstein durch Lidl und ihren „Alltags-Tom“?

Kennt ihr noch den Spot von Lenovo, in welcher sie das MacBook Air à la „Zu viele Kompromisse für hübsches Design“ parodieren?

Wie ihr seht, gibt es zahlreiche Werbungen, die uns im Gedächtnis geblieben sind, weil sie witzig sind.

Dass Humor ein wirkungsvoller Stimuli in der Werbung ist und insbesondere im Zusammenhang mit emotionaler Konditionierung, habe ich euch schon des Öfteren erklärt. Parodie ist hier nochmal eine sehr spezielle Form des Humors, die, wenn sie richtig eingesetzt wird, sich sehr positiv auf die Wahrnehmung eurer Marke oder eures Produktes auswirken kann.

Wie das geht? Das erfahrt ihr nachfolgend.

Parodie in der Werbung

Zunächst einmal: Was macht Parodie aus?

Laut dem Duden (2020) ist Parodie eine „komisch-satirische Nachahmung oder Umbildung eines [berühmten, bekannten] meist künstlerischen, oft literarischen Werkes oder des Stils eines [berühmten] Künstlers“ (ebd., online).

Diese Definition bezieht sich auf Personen (Künstler), kann aber genauso gut Unternehmen umfassen, die Parodie in Form von Werbung betreiben. Dabei kann ein Unternehmen beispielsweise einen bestehenden Werbespot eines Konkurrenten nachahmen oder auch eine Werbefigur (siehe Lidl). Die Möglichkeiten sind hier vielfältig, setzen jedoch eines voraus: Der Rezipient benötigt Vorwissen über den parodierten Content.

Wirkung von humorvoller Werbung

Die Verwendung humorvoller Werbung stellt in der Praxis eine gewisse Gratwanderung dar, denn sie kann sowohl positive als auch negative Reaktionen beim Rezipienten erzeugen.

Die Wirkung von Humor als Mittel in der Werbung kann auf zwei Ebenen gemessen werden:

 

  1. Beurteilungsebene: Hier wird der Einfluss auf die Beurteilung hinsichtlich des Absenders analysiert. Die Beurteilung der Faktoren Beliebtheit und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens/ einer Marke beeinflussen wiederum dessen Image. Humorvolle Werbung kann sich letztlich positiv auf dieses auswirken. Zu beachten ist hier aber auch die Wechselwirkung: Werden Image, Beliebtheit und Glaubwürdigkeit nicht als positiv wahrgenommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Konsument auch die Werbung so empfindet.
  2. Verarbeitungsebene: Analyse auf Basis der Verarbeitung der Werbebotschaft seitens des Empfängers. Erinnerung, Aufmerksamkeit (siehe Low oder High Involvement), Verständlichkeit von Werbung und Produkt und die Produktbeurteilung selbst haben großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Parodie und somit die Rückkopplung zum Kauf oder der Markenwahrnehmung.

 

Zu beachten

Beim Einsatz von Parodie gilt neben der potentiellen Wirkung auch einiges zu beachten.

  • Vampireffekte: Der Humor sorgt dafür, dass dein beworbenes Produkt/ die Marke nicht wahrgenommen wird
  • Wear-out-Effekt: Auch Abnutzungseffekt. Der Rezipient hat die Werbung zu häufig gesehen und der Effekt nimmt ab.
  • Subjektivität des Humorempfinders

Und letztendlich ist mitunter der wichtigste Faktor das Vorwissen des Rezipienten zum parodierten Content, ohne welches die Werbung nicht wirken kann.

Empfehlung: Eine spannende Studie zum Thema Parodie in der Werbung veröffentlichten Michelle L. Roehm und Harper A. Roehm Jr. 2013: „Consumer responses to parodic ads“.

Titelbild Super Bowl Werbung

Phänomen Super Bowl Werbung

Go Patriots!

Letzte Nacht war es endlich soweit: der 53. Super Bowl lockte weltweit mehr als 800 Mio. Zuschauer vor die Fernseher und in die Stadien und das Team der New England Patriots sicherte sich den begehrten Titel.

Seit Jahrzehnten gehört der Super Bowl zu den größten Sportevents der Welt. Und auch in Sachen Werbung spielt das Sportspektakel in den Superlativen der Königsklasse.

Die Werbespots während des Super Bowl gehören oft zu den kreativsten, aufwendigsten, emotionalsten und mit Sicherheit teuersten des Jahres – kein Wunder bei 800 Mio. Zuschauern.

Da ist es auch kaum verwunderlich, dass 30 Sekunden der heiß begehrten Werbeplätze über 5 Millionen US-Dollar kosten!

In den vergangen Jahren haben sich die Kosten für einen 30-sekündigen Spot mehr als verdoppelt:

Werbekosten Super Bowl SpotQuelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/251451/umfrage/kosten-fuer-einen-30-sekunden-spot-beim-super-bowl-finale-im-us-tv/

Kaum vorstellbar, dass 1985 der Bildschirm während des Super Bowls mal für 60 Sekunden komplett schwarz war. NBC wollte mit dieser Aktion den Zuschauern eine Minute Pause schenken, um z.B. auf Toilette gehen zu können, ohne etwas zu verpassen. Dafür verzichtete die Fernsehgesellschaft damals auf satte 600.000 Dollar.

In Anbetracht dessen, wie sich die Summen für die Werbeeinnahmen in den letzten Jahren verändert haben und vor allem unter dem Gesichtspunkt der hohen Beliebtheit der Super Bowl Spots, wäre eine solche Aktion heute undenkbar.

Phänomen Super Bowl Werbung

Wie bereits erwähnt, gehören die Super Bowl Spots zu den kreativsten überhaupt. Agenturen und Unternehmen haben daraus in den letzten Jahre einen regelrechten Wettkampf und den Titel „bester Spot des Super Bowls“ gemacht. Mittlerweile gehören diese zum Super Bowl dazu wie Chicken Wings, Bier und natürlich die Spiele selbst.

Und Aufwand und Kosten scheinen tatsächlich auch gerechtfertigt zu sein: laut einer Studie von Dr. Sascha Raithel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München und Professor Charles Taylor, Inhaber der Marketing-Professur an der Villanova School of Business (Pennsylvania, USA) aus dem Jahr 2013, wirken sich Super Bowl Spots sowohl auf den Buzz einer Marke als auch den BrandIndex signifikant aus.  Der Effekt auf den Buzz sei zwar deutlich höher als auf den BrandIndex, aber selbst 20 Tage nach dem Super Bowl hat der Spot noch positive Auswirkungen auf das Image der beworbenen Marke und die Kundenwahrnehmung.

Mehr Infos zur Studie findet ihr hier: Effekte Super Bowl Werbung

Die Werbe-Highlights 2019

Natürlich möchte ich euch meine persönlichen Super Bowl Spot Highlights 2019 nicht vorenthalten. Das sind meine  Favoriten:

Colgate „Close Talker“
Play Video about Thumbnail Super Bowl Werbung 2019_Colgate
Pepsi „More than OK“
Play Video about Thumbnail Super Bowl Werbung 2019_Pepsi
Devour „Food Porn“
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Bubly „Bublé vs. Bubly“
Play Video about Thumbnail Super Bowl Werbung 2019_Bubly

Was Männer wollen

Play Video about Was Männer wollen (laut Werbung) I Konsumentenpsychologie I Chrissy's Marketing Corner - youtube

Ich habe kürzlich ein sehr witziges Video von einem Youtube-Kollegen namens Connor Simmons entdeckt. Connor nimmt darin sämtliche Klischees auf, die die Werbeindustrie für die Männerwelt bereithält. Seht selbst:

Play Video about Thumbnail Connor Simmons How to advertise men youtube
 

Copyrigtht Connor Simmons https://www.youtube.com/user/RollsRules

Dabei stellt sich die Frage: warum ist das eigentlich so? Wieso sind Werbespots für Männer immer so aufgebaut? Und stimmt das „Immer“ überhaupt? Schauen wir uns doch mal an, was die Werbepsychologie dazu zu sagen hat 🙂

Wir befinden hier uns hier wieder beim Thema Aktivierung. Werbung – egal für welche Zielgruppe – muss solche Reize enthalten, auf die die entsprechende Zielgruppe auch reagiert. Und wie ihr bereits gelernt habt, sind hier besonders emotionale Reize und Schlüsselreize sehr wirkungsvoll. Durch sie werden Informationen schneller aufgenommen, besser verarbeitet und gespeichert – die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument das Produkt bzw. die Marke im Nachgang erinnert und kauft, erhöht sich somit.

In der Werbeansprache für Männer haben sich hier in den letzten Jahrzehnten einige Reize manifestiert, die Connor in seinem Video humorvoll aufgenommen hat.

Da gibt es zum einen diese sehr tiefe und männlich klingende Stimme aus dem Off, die so weise und so vollkommen mit sich im Reinen klingt – ein Element, mit dem sich Männer gerne identifizieren. Diese Stimme ist Vorbild. Diese Stimme spricht ihnen aus der Seele. Und diese Stimme ist der weise Freunde oder Vater, der weiß, was ein Mann braucht.

Ebenso verhält es sich mit den Protagonisten, die meist sehr attraktiv und übertrieben männlich (bärtig, muskulös, ernst) dargestellt werden. Er verkörpert, was sie sein wollen.

Abgerundet wird das Bild des perfeken Mannes durch die Szenerie: unendliche Weiten, Landschaft, Natur, Ursprünglichkeit, Freiheit und trotzdem darf ein hartes Getränk und eine wertvolle Uhr oder gute Kleidung meist nicht fehlen.

Zum Schluss dann noch ein bisschen Nonsense von der Stimme aus dem Off.

All das sind die Elemente, die einen guten Cocktail ausmachen.

Vieles spricht dafür, dass diese Vorstellung historisch bedingt ist und einem Werbeklischee aus den 50er und 60er Jahren entspricht. Hier gab es das Bild des Marlboro-Cowboys und des Mannes, der schier grenzenlose Sehnsucht nach Freiheit hat. In der sexualisierten Werbung der letzten Jahrzente wurde dieses Bild hartnäckig beibehalten, getreu dem Motto „das hat einmal funktioniert, das wird wieder funktionieren“.

Für einen Teil des Marktes und der Zielgruppe scheint dies auch nach wie vor der Fall zu sein. Dennoch hat sich das Bild des Mannes in der Gesellschaft in den letzten Jahren auch stark verändert und das ist laut einer Studie der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart auch an der Werbeindustrie nicht spurlos vorbeigegangen. In der Studie wurde untersucht, wie Männer in der Werbung dargestellt wurden. Dafür wurden insgesamt 560 TV-Spots der Jahre 1997 und 2017 analysiert, um Veränderungen im Zeitverlauf aufzuzeigen.

Und siehe da: das Bild hat sich gewandelt. Männer in der Werbung sind heute wesentlich häufiger im häuslichen Umfeld zu sehen – besonders in der Küche. Dabei wird laut Studie kein Mann beim Kochen gezeigt, sondern ein Männertyp, der auf seine Einbauküche genauso stolz sei, wie auf sein Auto. Zudem zeigt die Studie, dass Männer in der Werbung inzwischen seltener als Autoritätspersonen gezeigt werden, sondern zumeist einer Interaktionspartnerin auf Augenhöhe begegnen.

Sollte euch die Studie ausführlicher interessieren, könnt ihr hier nachlesen: http://www.markenartikel-magazin.de/no_cache/medien-werbung/artikel/details/10019847-werbung-der-sexualisierte-mann-ist-auf-dem-rueckzug/

Grundsätzlich kann man allerdings sagen, dass sich die Werbung einem viel moderneren Bild des Mannes angepasst hat – eines, das nicht mehr so sexualisiert ist und somit auch wiederum den Puls der Zeit trifft und die Zielgruppe perfekt anspricht.

Natürlich wird man dem Klischee in der Werbung allerdings nie überdrüssig werden, denn auch dafür gibt es nach wie vor eine Zielgruppe.