Action-Getters: Die 6 Prinzipien der Überzeugung

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Nur solange der Vorrat reicht“

„Nur für kurze Zeit“

„Wir schenken Ihnen diesen Tester, auch wenn Sie von unserem Angebot keinen Gebrauch machen“

Wer kennt diese Aussagen nicht? In der Werbepsychologie spricht man hier von sog. „Action-Getters“ oder auch Response-Auslösern. Das sind Trigger, die uns automatisch zu Handlungen bewegen.

Robert Cialdini ist ein US-amerikanischer Psychologe, Professor für Psychologie und Marketing  sowie einer der bekanntesten Beeinflussungsforscher der Welt. Während seiner Laufbahn hat er sich vor allem mit dem Themenfeld der persuasiven Kommunikation beschäftigt. Dafür hat er unter anderem zahlreiche Überzeugungstaktiken von „Beeinflussungsprofis“ aus unterschiedlichsten Branchen untersucht und daraus die 6 Prinzipien der Überzeugung abgeleitet, die besonders im Marketing nachhaltig Anwendung finden.

Sie basieren darauf, dass Menschen bestimmten Verhaltensmustern automatisch folgen. Grund dafür ist unter anderem, dass wir uns Entscheidungen erleichtern oder abnehmen lassen wollen, indem wir z.B. auf Bewährtes oder Vertrautes zurückgreifen.

Action Getter 1:  Prinzip der Reziprozität (Prinzip der Gegenseitigkeit)

„Wie du mir,  so ich dir“ könnte man das Prinzip vereinfacht ausdrücken. Es besagt, dass wir uns anderen Menschen gegenüber so verhalten, wie wir uns von ihnen behandelt fühlen.  Das bedeutet auch, dass wir letztendlich großen Einfluss darauf haben, ob wir gut oder schlecht mit jemandem auskommen.

Im Marketing wird dieses Prinzip häufig durch Gratis-Beilagen angewandt. Händler wissen, dass Verbraucher diese kleinen Gesten zu schätzen wissen und ihnen dadurch eher zugeneigt und im Idealfall sogar treu bleiben.

 

Action Getter 2: Das Prinzip der Knappheit (Exklusivität)

Dieses Prinzip habe ich euch in meinem Video zu Clubhouse an sich schon vorgestellt. Je begrenzter und exklusiver etwas erscheint, desto höheren Wert bemessen wir dem bei. Es löst höheres Verlangen bei uns aus.

In der Werbung finden wir hier häufig Sprüche wie „Nur solange der Vorrat reicht“ oder im Falle von Clubhouse „nur für iOs-Nutzer und nur auf Einladung“.

Achtung: Abnutzungsgefahr!

 

Action Getter 3: Das Prinzip der Autorität

Dieses Prinzip besagt, dass Menschen, die eine Machtposition inne oder  großen Einfluss haben, in den Augen anderer Menschen auch mehr Glaubwürdigkeit besitzen. Dadurch neigen wir dazu, ihnen eher zu glauben und sind ihnen gegenüber weniger kritisch.

Das ist das klassischen Prinzip auf dem Influencer Marketing oder Testimonials beruhen.

 

Action Getter 4: Prinzip der Verpflichtung und Beständigkeit

Die meisten von uns sind in der Regel Gewohnheitstiere. Cialdinis Prinzip besagt letztendlich genau dies. Wir vertrauen eher auf alt bewährtes und bekanntes, greifen eher zu gewohnten Produkten. Dabei spielen Rationalität keine Rolle. Egal, ob die Küchenrolle von Discounter xy genauso gut und dabei noch günstiger ist, schon Mutti hat immer Zewa gekauft, also tue ich das auch.

Wie ihr schon vermuten könnt, hier spielen Emotionen eine große Rolle.

 

Action Getter 5: Prinzip des sozialen Beweises (Social Proof)

Dieses Prinzip wurde schon mehrfach in Sozialexperimenten nachgewiesen: Wir neigen dazu, die Meinung einer Gruppe bzw. der Mehrheit anzunehmen, um mit der Gruppe konform zu gehen und Bestandteil zu bleiben. Gruppen beeinflussen somit unsere Einstellungen zu etwas maßgeblich.

Das Schaffen von Trends basiert auf diesem Prinzip. Bauchfreie Tops und knöchelfreie Jeans sind angesagt? Jeder trägt das? Lieber mitmachen, um der Mehrheit anzugehören und „im Trend zu sein“.]

 

Action Getter 6: Das Liking-Prinzip (Sympathieprinzip)

Das Sympathieprinzip besagt, dass körperlich attraktive Menschen uns eher überzeugen. Wir verbinden sie unbewusst mit weiteren positiven Attributen und Werten, wie beispielsweise Ehrlichkeit. Aus diesem Grund werden im Marketing häufig auf Stereotype Models zurückgegriffen.

Eng verwandt mit dem Liking-Prinzip ist der sog. Halo-Effekt. Vereinfacht gesagt, färbt hier die positive Wahrnehmung einer Marke auf deren Produkte ab.

Der Exklusivitäts-Effekt

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Bist du schon Clubmitglied?

Du wirst dich jetzt zu recht fragen, von welchem Club hier die Rede ist. Es geht um den angesagtesten Club des  frühen Jahrs 2021: Clubhouse

Clubhouse ist eine Audio-only-App, bei der du ähnlich wie bei einem Podcast Gesprächen zuhören kannst oder dich sogar aktiv an Diskussionen beteiligen kannst. Hier gibt es keine Kommentare, Likes oder angeschaltete Kamera und der Clou um den Hype: Wer mitmachen möchte, der benötigt eine Einladung.

Stand jetzt hat die Plattform registrierte Nutzer im 6- bis 7-stelligen Bereich. Verfügbar ist sie aktuelle nur für iOs Geräte.  Bereits zu Beginn mit nur 1.500 Usern wurde  Clubhouse mit ca. 100 Millionen Dollar bewertet.

Quelle: Apple App-Store

Die Psychologie der Verknappung

Das Prinzip von Clubhouse ist nicht neu. Bereits von Unternehmen wie Bestsecret kennen wir die Einladungsmechanik. Dabei können nur registrierte Nutzer andere Nutzer in den exklusiven Kreis einladen – und diese Einladungen sind zumeist auch begrenzt.

Was steckt hinter dieser Marketingstrategie?

Einen Faktor, der hier mit  reinspielt, habe ich euch bereits in anderen Beiträgen vorgestellt: Die Verknappung.

Hierbei handelt es sich eigentlich um eine POS-Maßnahme. Ihr geht in den Supermarkt und seht eine gesonderte Verkaufsfläche für beispielsweise Teelichter und auf dieser ganzen großen Fläche befinden sich nur noch ein bis zwei Packungen. Die Fläche ist gekennzeichnet mit „Sonderangebot“. Ihr denkt euch „oh, da ist ja fast nichts mehr da – schnell zugreifen bevor der Rest auch noch weg ist“. Ich garantiere euch: geht ein paar Stunden später nochmal in den Laden und ihr werdet feststellen, dass die Fläche aufgefüllt wurde.

Das Prinzip dahinter nennt sich künstliche Verknappung. Man will den Eindruck erwecken, dass schon viele Personen das Angebot wahrgenommen haben und dass der Kunde nur noch eine begrenzte Möglichkeit hat, das Produkt zum Sonderpreis zu erwerben, indem man lediglich ein paar Einheiten in die Auslage legt. Durch das Gefühl, das Angebot vielleicht später nicht mehr wahrnehmen zu können (auch, wenn wir das Produkt nicht brauchen), bringt uns oft dazu, es zu kaufen.

Genauso verhält es sich mit begrenzten Stückzahlen. Begriffe wie „limitiert“ und „exklusiv“ triggern uns und lösen das Gefühl aus, wir könnten eine Chance verpassen.

Natürlich lässt sich dies nicht 1:1 auf Online Places anwenden. Denn ein digitales Produkt wie bei Clubhouse kann in der Regel nicht vergriffen sein. Dennoch spielt hier das gleiche subjektiv erlebte Risiko, dass ich etwas nicht bekommen kann, eine wichtige Rolle. Es führt dazu, dass ich es eher will.

Übrigens: Im Social Media oder Online Bereich spricht man hier häufiger von „The Fear of Missing Out“.

Exklusivitäts-Effekt

Verstärkt wird dies noch durch die vermeintliche Exklusivität. Zum Beispiel

  • Nur Teilnahme auf Einladung
  • Nur begrenzte Einladungsmöglichkeiten
  • Nur begrenzte Plätze
  • Nur auf einer Plattform verfügbar (z.B. bei Clubhouse iOs)

Wie bereits erwähnt, triggern hier Begriffe, wie „limitiert“ und „exklusiv“.  Alles, was suggeriert, dass es nicht für die breite Masse, sondern nur ausgewählte Kunden ist, löst in uns zusätzlich ein in der Regel Dopamin-gesteuertes Gefühl von Glück und Kick aus. Der Reiz, etwas zu besitzen, was nicht jeder haben kann und der Nervenkitzel, dass ich zuschlagen muss, bevor es nicht mehr verfügbar ist.

Um es kurz zu sagen: Ich bin Mitglied eines exklusiven Clubs.

Im Falle von Clubhouse ist dies gepaart mit der richtigen Strategie, bekannten Moderatoren und Teilnehmern sowie der Luxus-affinen Zielgruppe Apple-User ein gelungener Mix und perfektes Marketing.

Fans: Zwischen Leidenschaft und Obsession I Psychologie der Love Brands

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Erst kürzlich hat Apple wieder eine Präsentation über neue Produkte abgehalten, die Millionen von Menschen virtuell verfolgt haben.

Das Erscheinen der neuen Playstation ist für viele Zockerfreunde das bedeutendste Ereignis dieses Jahr und das Produkt jetzt schon vergriffen, obwohl es noch nicht mal offiziell auf dem Markt ist.

Wenn der FC Bayern spielt verfolgen dies im Schnitt über 1 Mio. Zuschauer im TV.

Was haben all diese Beispiele gemeinsam? Die Antwort lautet: Fans

Was ist ein Fan?

Das Wort Fan stammt von fanatisch. In erster Linie beschreibt es Menschen, die eine Leidenschaft für eine bestimmte Sache haben. Es handelt sich dabei um längerfristige, leidenschaftliche Beziehungen zu einem externen und öffentlichem Fanobjekt, zu dem ein Mensch eine emotionale Beziehung hat und seine Ressourcen (z.B. Zeit, Geld) investiert.

Fanobjekte können z.B. Menschen, Gegenstände und Marken sein. Häufig finden sich mehrere Fans zu Fanklubs zusammen.

Wie wird man zum Fan?

Fan-Sein ist kein Zustand von heute auf Morgen, sondern entwickelt sich. Meistens findet diese Entwicklung im Jugendalter statt. Soziologen bezeichnen diese Phase als den Zeitraum, in dem Jugendliche sich zu vollständigen Persönlichkeiten entwickeln. In dieser Zeit müssen sie sich sozial integrieren, aber auch auf ihre Individualität festlegen.

In dieser Phase entwickelt man sich häufig weg von den Eltern als Bezugspersonen und sucht sich neue Vorbilder. Diese sind oft Stars, die dann zu Fanobjekten werden.

Stufen des Fantums

Doch Fan ist nicht gleich Fan. Es gibt verschiedene Stufen, des Fantums, die den Grad zwischen Leidenschaft und Obsession aufzeigen.

Schwärmerischer Fan

Diese Fans könnten Fantasie und Realität klar voneinander trennen. Sie handeln und denken rational, verhalten sich aber schwärmerisch in Bezug auf eine Marke oder Person. In dem Zusammenhang hört man auch häufig den Begriff Fanboy.

Fanatischer Fan

Fanatische Fans entstehen häufig im Kontext von Gruppen (z.B: Fanclubs), weil man sich hier intensiv gemeinsam mit dem Fanobjekt auseinandersetzt und sich gegenseitig hineinsteigert. Aus Schwärmerei wird hier Fanatismus. Das lässt sich häufig im Zusammenhang mit weiblichen Fans von Boybands und Musikern beobachten. Das Verhalten wird irrational, die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen.

Bei Markenfans hat dieses Stadium häufig zur Folge, dass irrational positiv für eine Marke argumentiert wird. Ein Beispiel: Auch wenn ein Apple Produkt technisch und preislich einem Konkurrenzprodukt unterlegen ist, werden fanatische Apple Fans keine anderen Meinungen zu lassen.

Ein spannendes und häufiges Beispiel sind hier auch Fußballfans. Einen tollen Artikel zu dieser speziellen Form findet ihr hier https://gesundheit-heute.ch/wp-content/uploads/2016/12/baz14artikel-basler-zeitungb2ec460b5de463d08db3ff00003057d7.pdf

Besessener Fan

Besessene Fans grenzen sich zumeist völlig von der Gesellschaft ab, um sich ihrem Fanobjekt uneingeschränkt widmen zu können. Diese Form geht häufig mit psychischen Störungen einher. Stalking zählt zum Bespiel zu dieser Form.

 

Love Brands

Früher bezog sich Fantum wesentlich häufiger auf Personen. Heute sind es vor allem starke Marken, wie Apple, FC Bayern und Co. Love Brands werden diese inzwischen auch genannt.

Doch woher kommt diese Bindung?

Die Bindung an Love Brands muss nicht zwingend im Jugendalter erfolgen. Sie kann auch schon im Kindesalter oder auch erst als Erwachsener auftreten.

Doch egal wann, eines bildet bei allem die Grundlage: Emotionen

Marken lösen durch verschiedene Trigger Emotionen aus. Emotionen führen zu besserer Informationsverarbeitung Speicherung, führen bis hin zur Bindung und Identifizierung mit einer Marke.

Hier einige Beispiele:

Elternhaus

Markenbindungen entstehen oft in der Kindheit durch das Elternhaus. Marken, die unsere Eltern schon gekauft haben, empfinden wir als vertrauenswürdig und gut. Wir kennen oft nichts anderes und entwickeln eine auf Nostalgie und Vertrautheit beruhende emotionale Bindung.

Woher das bei unseren Eltern kommt? Nun ja, teils schon von Großeltern, aber eher daher, dass es in der Generation unserer Eltern so viele austauschbare Produkte gab. Viele Produkte und Marken waren zu ihrer Zeit (Welt-) Neuheiten. Sie hatten also keine Alternativen.

First Mover Effekte

Das Stichwort Neuheiten ist schon gefallen. Love Brands werden zudem durch sog. First Mover Effekte gebildet. Ein Paradebespiele hierfür ist Apple. Ein Produkt ist so neu und einzigartig, dass dieser Fakt bereits Faszination und Emotion auslöst. Gepaart mit dem richtigen Marketing kann dies zu einer emotionalen Bindung an die First Mover Marke führen.

(Soziale) Identität

Marken haben auch immer etwas mit Identität zu tun. Diese kann intrinsisch sein (siehe wie oben entstanden) oder extrinsisch, also vorgelebt von anderen, wen und was ich toll finden soll.

Hier spielt vor allem das Gefühl der Zugehörigkeit eine große Rolle.

 

Fazit

Insgesamt geht es beim Thema von also um Emotionen und die persönliche Identität zur und mit der Marke oder dem Fanbobjekt.

Entscheidend sind jedoch die Grenzen: Wann bin ich Fan und wann besessen?

Du willst mehr über die Psychologie der Marken erfahren?

Dann wirf doch mal einen Blick in meine folgenden Artikel:

https://marketingcorner.de/marke1 

https://marketingcorner.de/marke2

Goodbye AIDA: Warum das Prinzip komplett veraltet ist

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Attention

Interest

Desire

Action

Vermutlich ist jeder Marketer in seinem Leben schon mal über diese Formel gestolpert.

Die AIDA-Formel ist ein hierarchisches Modell der Werbewirkung. Es wurde 1898 vom Werbestrategen E. St. Elmo Lewis als Anleitung für Verkaufsgespräche entwickelt.

Um den Plot gleich vorweg zu nehmen: Diese Formel ist inzwischen über 100 Jahre alt und wurde für eine völlig andere Gesellschaft unter völlig anderen Voraussetzungen entwickelt. Wer heute noch ernsthaft seine Werbestrategien auf diesem ursprünglichen Prinzip aufbaut, naja, das Ende dieses Satzes spare ich mir 😉

Das AIDA-Prinzip

Doch zunächst einmal sei erklärt oder zumindest ihr Erinnerung gerufen, was das AIDA-Prinzip eigentlich besagt. Wie bereits erwähnt, ist es ein hierarchisches Modell der Werbewirkung. Dies bedeutet, dass der Erreichen einer Stufen die Erfüllung der vorherigen Stufe voraussetzt.

Attention: Die Reaktion beginnt mit der Aufmerksamkeit

Interest:  Ist diese Aufmerksamkeit vorhanden, kann sich Interesse entwickeln.

Desire: Auf Basis des Interesses kann es dann zum Wunsch nach dem Produkt kommen.

Action: Ich kaufe das Produkt.

Eine Werbeanzeige erlangt also die Aufmerksamkeit eines potentiellen Kunden. Daraufhin entwickelt er Interesse für das Angebot der Anzeige. Dieses Interesse kann sich zum Wunsch steigern, das Produkt erwerben zu wollen und es dann schließlich zu kaufen.

Kritik am AIDA-Prinzip

Im Zusammenhang mit beispielsweise Werbeanzeigen und unter Berücksichtigung der deutlich geringeren Frequenz von Werbebotschaften vor 100 Jahren, mag dieses Prinzip tatsächlich gut funktioniert haben, um den Werbewirkungsprozess nachzuvollziehen und Marketern somit an die Hand zu geben, dass ihre Anzeige in erster Linie mal so gestaltet sein muss, dass sie Aufmerksamkeit erregt.

Soweit versuchen wir das heute natürlich auch noch. Unsere Werbung muss sich absetzen und das Ziel haben, dem Konsumenten in Erinnerung zu bleiben.

Doch es gibt einige Umstände und Voraussetzungen, warum wir AIDA heute so nicht mehr anwenden können und sollten:

Kontakt fehlt

Was die Formel nicht berücksichtigt, ist, wie der Konsument überhaupt in Kontakt mit der Werbung kommt. Im Werbewirkungsprozess müssen somit auch die richtigen Kanäle und Plattformen der angestrebten Zielgruppe identifiziert werden, um die Werbebotschaft auch dort zu platzieren. Dies ist essentiell. Dabei spielen natürlich auch äußere Faktoren, wie der Kontext eine Rolle. Wo ist meine Botschaft am POS eingebettet? Sieht er meine Ad mobil oder am Desktop? Auf dem Weg zur Arbeit oder daheim auf der Couch? Und noch wichtiger: Wie sind die inneren Voraussetzungen meines Konsumenten? Ist er gestresst oder gut gelaunt? Hat er Zeitdruck? All diese Faktoren beeinflussen den Erstkontakt.

High und Low Involvement

Gerade als Werbepsychologe ist man sich dem Einfluss von High und Low Involvement stets bewusst. Dieses hat maßgeblichen Einfluss auf die Werbewirkung und überhaupt erst auf die Bereitschaft des Konsumenten, sich einer Werbebotschaft zu widmen.

Bevor meine Werbung überhaupt seine Aufmerksamkeit bekommt, muss in der Regel ein gewisses Grundinteresse für mein Produkt oder meine Dienstleistung vorhanden sein. Entsprechend müsste es eher Interest und dann Attention heißen.

Hierarchischer Ablauf nicht belegt

Hier kommen wir schon zum nächsten Punkt: Der hierarchische Ablauf der Formel. Dieser konnte trotz zahlreicher Studien tatsächlich nie belegt werden. Unter anderem bedingt durch High und Low Involvement funktioniert dieser feste aufeinander aufbauende Ablauf nicht.

Erinnerungseffekte nicht berücksichtigt

Ein weiterer Punkt der hier außer Acht gelassen wurde, sind Werbeerinnerungen. Gerade heute, wo durch Remarketing genau dieser Effekt genutzt werden kann und für das Online Marketing unerlässlich ist.

Fazit

Wir ihr seht, ist die AIDA Formel eher ein Relikt. Leider wird sie noch viel zu häufig an Hochschulen als Standard gelehrt, ohne sie zu hinterfragen. Insbesondere durch Internet und Social Media hat sich unser Konsum- und unser Werbekonsumverhalten maßgeblich verändert. Zu viele Faktoren spielen hier in die Werbewirkung mit hinein.

Wichtig ist es deshalb, sich mit der Zielgruppe genau auseinander zu setzen, ihre Interessen zu kennen oder kennenzulernen und Kanäle zu bedienen, auf denen sie erreicht werden können.

Zeigt euren Konsumenten, was sie interessiert und nicht was ihr wollt, dass sie interessiert.

Black Friday: Psychologie der Schnäppchenjagd

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Black Friday

Am 27. November ist es wieder soweit: Black Friday

2019 wurden allein mit Online Einkäufen weltweit über 7,4 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Das sind 20% mehr als noch im Vorjahr. Auch in Deutschland wird der Aktionstag immer bekannter und beliebter. In einer Umfrage von HDE kannten rund 94% der Befragten Black Friday und 33% gaben an, an diesem auch Angebote wahrzunehmen und zu shoppen.

Dabei gehören vor allem Mode und Drogerieprodukte zu den Top-Sellern.

Black Friday Statstiken

Die Psychologie der Schnäppchenjagd

Die Frage, die man sich als Marketer und insbesondere auch noch als Werbepsychologe stellt, ist: Warum kaufen Konsumenten gerade zu solchen Aktionstagen vermehrt ein?

Hier spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle: Preispsychologie und die zeitliche Begrenzung der Aktion.

Zum Thema Preispsychologie habe ich bereits einen ausführlichen Beitrag geschrieben. Aber hier nochmal das wichtigste auf einen Blick:

Ganz vereinfacht gesagt, befasst sich Preispsychologie damit, wie Konsumenten Preise in verschiedenen Situationen, Umfeldern und Kontext wahrnehmen und darauf reagieren.

Dabei beeinflussen uns Effekte, wie z.B. der „Effekt der letzten Ziffer“ oder die farbliche Markierung von Preisen. Rote Zahlen, auffällige gelbe Hintergründe – all das suggeriert uns Rabatt. Ebenso Wörter, wie „Aktion“ und „Sonderpreis“.

In der Preispsychologie gibt es insbesondere 5 bekannte und häufig verbreitete Effekte (genauer nachzulesen im Artikel):

  1. Deal Effect
  2. Separation Effect
  3. Paradox of Choice
  4. Compromise Effect
  5. Endowment Effect

Beim Black Friday und ähnlichen Aktionstagen kommt vor allem der sog. Deal Effekt zu tragen.

Bei diesem Effekt, wird dem Preis ein Vergleichsobjekt bzw. ein Referenzpreis hinzugefügt, der das Angebot hervorhebt. Wichtig ist hier, dass das Angebot mind. 20% günstiger ist als der Referenzpreis. Der Kunde nimmt so einen zusätzlichen Vorteil wahr. Der Deal Effect tritt allerdings nicht nur bei Referenzpreisen auf. Es können beispielsweise auch Referenzprodukte dargeboten werden oder On-Pack-Promotions („ich bekomme mehr für meine Geld“).

Die auffälligen Streichpreise und gekennzeichneten Rabatte, die wir online vorfinden, führen somit dazu, dass wir das Gefühl haben, wir machen einen guten Deal, also ein Schnäppchen.

Dieses Gefühl entsteht im Belohnungszentrum unseres Gehirns. Schlagen wir zu, werden Endorphine und Dopamin ausgeschüttet. Wir fühlen uns gut und wollen mehr von diesem Gefühl.

Was glaubt ihr was passiert? Richtig, wir suchen weiter nach Rabatten. Dies kann unter Umständen sogar zur Sucht werden. Ein Paradebeispiel ist hier das sog. Couponing aus den USA.

Hier nochmal alle zum Thema Preispsychologie zum Nachlesen: https://marketingcorner.de/preispsychologie.

Erlebte Angst: FOMO

Neben des guten Gefühls, dass der Deal Effekt bei uns auslöst, kann aber auch noch eine andere Emotion bei uns zum Kauf führen: Angst.

Wir haben Angst, dass wir unsere Entscheidung, ein Angebot nicht wahrgenommen zu haben, im Nachgang bedauern könnten. Was ist, wenn ich das Produkt nie wieder so günstig bekomme? Was ist, wenn meine Freunde sich über mich lustig machen, weil ich als einziger beim Black Friday nicht zugeschlagen habe?

Das sind nur einige Gedanken, die hier mit reinspielen.

Dieses subjektiv erlebte, mögliche Risiko verleitet uns dazu, dass wir eher gewillt sind zu kaufen. Denn das erlebte Risiko, etwas zu verpassen, ist in diesem Fall höher, als das erlebte Risiko, dass wir einen Fehlkauf machen könnten (denn es ist ja jetzt so schön billig).

Die Rechnung geht auf

Was ihr hier lest, ist nur ein kleiner Auszug dessen, was unsere Kaufentscheidungen beeinflusst und warum wir so affin für Aktionstage, wie Black Friday sind.

Grundsätzlich spricht auch nichts dagegen. Letztendlich wurde der Black Friday auch einst ins Leben gerufen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Wichtig ist nur, dass wir uns der Beeinflussung bewusst sind und auch dessen, dass es immer wieder schwarze Schafe gibt, die mit falschen Angebote und Fake Online Shops locken.

PS: Good to know

„Black Friday“ ist eine eingetragene Wortmarke. Auch wenn diese Eintragung rechtlich umstritten ist und es seit Jahren viele Anträge auf Löschung gibt, hat die Marke Stand jetzt noch Bestand und ist geschützt. Also Vorsicht!

Wer auf der sicheren Seite sein möchte, der wirbt lieber mit „Schwarzer Freitag“ oder ähnlichen Abwandlungen, denn eine Abmahnung hier kann ganz schön teuer werden.

Parodie in der Werbung

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Vermutlich erinnern sich viele von euch an die Werbung von Smart „Der Smart fortwo – so gut im Gelände wie ein Geländewagen in der Stadt“, in welcher Smart sich selbst, aber auch die „großen“ Konkurrenten mit ihren Vor- und Nachteilen auf die Schippe nimmt.

Oder erinnert ihr euch an die Parodie des „Supergeil“-Spots von Edeka mit Friedrich Liechtenstein durch Lidl und ihren „Alltags-Tom“?

Kennt ihr noch den Spot von Lenovo, in welcher sie das MacBook Air à la „Zu viele Kompromisse für hübsches Design“ parodieren?

Wie ihr seht, gibt es zahlreiche Werbungen, die uns im Gedächtnis geblieben sind, weil sie witzig sind.

Dass Humor ein wirkungsvoller Stimuli in der Werbung ist und insbesondere im Zusammenhang mit emotionaler Konditionierung, habe ich euch schon des Öfteren erklärt. Parodie ist hier nochmal eine sehr spezielle Form des Humors, die, wenn sie richtig eingesetzt wird, sich sehr positiv auf die Wahrnehmung eurer Marke oder eures Produktes auswirken kann.

Wie das geht? Das erfahrt ihr nachfolgend.

Parodie in der Werbung

Zunächst einmal: Was macht Parodie aus?

Laut dem Duden (2020) ist Parodie eine „komisch-satirische Nachahmung oder Umbildung eines [berühmten, bekannten] meist künstlerischen, oft literarischen Werkes oder des Stils eines [berühmten] Künstlers“ (ebd., online).

Diese Definition bezieht sich auf Personen (Künstler), kann aber genauso gut Unternehmen umfassen, die Parodie in Form von Werbung betreiben. Dabei kann ein Unternehmen beispielsweise einen bestehenden Werbespot eines Konkurrenten nachahmen oder auch eine Werbefigur (siehe Lidl). Die Möglichkeiten sind hier vielfältig, setzen jedoch eines voraus: Der Rezipient benötigt Vorwissen über den parodierten Content.

Wirkung von humorvoller Werbung

Die Verwendung humorvoller Werbung stellt in der Praxis eine gewisse Gratwanderung dar, denn sie kann sowohl positive als auch negative Reaktionen beim Rezipienten erzeugen.

Die Wirkung von Humor als Mittel in der Werbung kann auf zwei Ebenen gemessen werden:

 

  1. Beurteilungsebene: Hier wird der Einfluss auf die Beurteilung hinsichtlich des Absenders analysiert. Die Beurteilung der Faktoren Beliebtheit und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens/ einer Marke beeinflussen wiederum dessen Image. Humorvolle Werbung kann sich letztlich positiv auf dieses auswirken. Zu beachten ist hier aber auch die Wechselwirkung: Werden Image, Beliebtheit und Glaubwürdigkeit nicht als positiv wahrgenommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Konsument auch die Werbung so empfindet.
  2. Verarbeitungsebene: Analyse auf Basis der Verarbeitung der Werbebotschaft seitens des Empfängers. Erinnerung, Aufmerksamkeit (siehe Low oder High Involvement), Verständlichkeit von Werbung und Produkt und die Produktbeurteilung selbst haben großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Parodie und somit die Rückkopplung zum Kauf oder der Markenwahrnehmung.

 

Zu beachten

Beim Einsatz von Parodie gilt neben der potentiellen Wirkung auch einiges zu beachten.

  • Vampireffekte: Der Humor sorgt dafür, dass dein beworbenes Produkt/ die Marke nicht wahrgenommen wird
  • Wear-out-Effekt: Auch Abnutzungseffekt. Der Rezipient hat die Werbung zu häufig gesehen und der Effekt nimmt ab.
  • Subjektivität des Humorempfinders

Und letztendlich ist mitunter der wichtigste Faktor das Vorwissen des Rezipienten zum parodierten Content, ohne welches die Werbung nicht wirken kann.

Empfehlung: Eine spannende Studie zum Thema Parodie in der Werbung veröffentlichten Michelle L. Roehm und Harper A. Roehm Jr. 2013: „Consumer responses to parodic ads“.

Survivorship Bias: Vom Erfolg geblendet

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Viele Jugendliche der Generation Z geben als Berufswunsch „Influencer“ an. Warum? Weil diese erfolgreich sind. Man sieht und folgt auf TikTok, Instagram und Co. nur den großen, bekannten Influencern. In Medien wird über genau diese auch als Best Case berichtet. Kein Wunder also, dass der Berufswunsch so beliebt ist. Doch was hier kaum berücksichtig wird: Wie viele Personen sind tatsächlich auf Social Media als Influencer erfolgreich? Wie viele Personen scheitern an diesem  Ziel?

Dies ist beispielsweise auch ein weitverbreitetes Problem in der Unternehmensgründung. Berichtet wird über die erfolgreichen. Es entsteht die Annahme, dass Unternehmensgründung immer mit Erfolg verbunden ist. Die „Versager“ kennt kaum einer.

Die hier entstandene Problematik zwischen Wahrnehmung Realität ist ein bekanntes Phänomen:  Survivorship Bias.

Survivorship Bias

Der Begriff Survivorship Bias tauchte zum ersten Mal im Zweiten Weltkrieg auf. Ingenieure der Alliierte wollten die Panzerung ihrer Flugzeuge verbessern. Dazu schauten sie sich die Flugzeuge von Piloten an, die Angriffe überlebt und es geschafft hatten, zurückzukommen:

Survivorship Bias Flugzeug

Quelle: Wikipedia

Sie begannen die Flugzeuge an den Stellen mit den meisten Einschusslöchern zu verstärken, stellten aber keine erhöhten Überlebenschancen in der Folge fest. Erst der Mathematiker Abraham Wald erkannte dann den Irrtum. Er regte dazu an, dass man nicht die Stellen mit den meisten Einschusslöchern verstärkte, sondern diese, wo es kaum welche gab – nämlich dort, wo der Pilot saß. Treffer an diesen Stellen hätten unweigerlich den Absturz ausgelöst.

Vom Erfolg geblendet

Diese Art von verzerrter Wahrnehmung wird heute als Survivorship Bias bezeichnet oder auch „Überlebenseffekt“.  Er bezeichnet in der Psychologie eine kognitive Verzerrung, die dazu führt, dass Menschen die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs systematisch überschätzen, da Erfolge (erfolgreiche Personen, Zustände, etc.) sichtbarer sind, als Nicht-Erfolge.

Biologisch ist unser Gehirn so programmiert, dass uns Informationen über Erfolge stärker im Gedächtnis bleiben. Berichterstattung über Erfolge in Sozialen Medien, Fachzeitschriften, TV und Co. verstärken diesen Effekt noch.

Was kann man dagegen tun?

Die Antwort wird den wenigsten gefallen, aber um nicht „Opfer“ von Survivorship Bias zu werden,  muss man in erster Linie Erfolge und Strategien hinterfragen.

  • Facebook benutzt einen blauen Button, weil er viel klickstärker ist. Wir machen jetzt auch nur noch blaue Buttons! – Wie wäre es mit einem AB-Test?
  • Konkurrent XY setzt jetzt auf diese Contents, das machen wir auch! – Passt das überhaupt zu euch und eurer Zielgruppe?

Wie ihr seht: Nur weil etwas für eine Firma/ Person funktioniert, muss es noch lange nicht für euch funktionieren. Immer kritisch hinterfragen und mutig über Fehler sprechen!

Konsumentenmacht 2.0

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Walmart verzichtet auf einen 9-stelligen Umsatz durch Waffenverkäufe, indem der Konzern diese nicht mehr verkauft.

Große Unternehmen und Love Brands stehen unter Druck, der Forderung ihrer Kunden, sich mehr für den Klimawandel einzusetzen und nachhaltiger zu produzieren, nachzukommen.

Uncle Ben’s ändert im Zuge von #blacklivematter nach 130 Jahren ihr Logo.

The power of consumers oder consumer led revolutions: Egal wie man es nennen mag, letztendlich drückt es dasselbe aus – Konsumenten haben Macht.

Konsumentenmacht

Konsumentenmacht ist etwas, das kein Unternehmen und natürlich insbesondere auch wir im Marketing nicht unterschätzen dürfen.

Unbegrenztes Wissen, schnelle Verbreitung von Informationen und weltweite Vernetzung durch Internet und Social Media gehören hier zu den wohl bedeutendsten Treibern dieser Revolution.  Kunden bestimmten heute mehr denn je Angebot und Nachfrage und prägen die Wirtschaft durch ihre veränderten Bedürfnisse maßgeblich.

Konsumentenmacht entsteht in erster Linie durch Unzufriedenheit. Unzufriedenheit entsteht immer dann, wenn der Konsument seine Erwartungen mit der subjektiv wahrgenommenen Qualität bzw. Realität vergleicht und hier eine Diskrepanz auftritt.

 

Konsumentenmaht

 

Abgrenzung Customer Empowerment

Nicht zu verwechseln ist die von mir angesprochene Konsumentenmacht mit Customer Empowerment. Customer Empowerment beschreibt die Integration des Konsumenten in den Wertschöpfungsprozess eines Unternehmens und somit die gewollte Funktion des Kunden darin. Dies kann z.B. durch Feedback, Co-Designer oder auch Community Management erfolgen.

Consumer led revolution

Heutzutage erkennt der Konsument seine Macht und seinen Einfluss viel mehr und gibt sich deshalb selten mit schlechtem, halbseidenem oder nicht vorhandenem Beschwerdemanagement zufrieden.

Wie bereits erwähnt, führen Internet und Social Media dazu, dass sich der Kunde Gehör verschafft und das weltweit. Dies führt immer mehr dazu, dass Unternehmen sich der Kritik ihrer Kunden ernsthaft stellen müssen. Insbesondere betrifft dies Themen, die die Gesellschaft als aktuell und wertvoll erachtet. Du lässt deine Kleidung von Kindern in Bangladesch nähen? Dein Konzern ist quasi tot. Du belastest durch deine Produktion die Umwelt und verschmutzt  die Weltmeere? Ändere etwas, oder du gehst Pleite. So einfach ist dies. Der Konsument möchte nicht nur sehen, dass du etwas gegen Missstände unternimmst, sonder erwartet, dass du aktiv wirst.

Zwischen Notwendigkeit  und Überreaktion

Für Unternehmen ist diese neue Konsumentenmacht oft nicht ganz leicht. Viele der angestrebten Revolutionen sind nötig und längst überfällig, auch wenn dies für so manche Unternehmen hohe Invets bedeutet. Jedoch muss auch unterschieden werden: Häufig werden bestimmte Trendwellen und vor allem Soziale Medien und Bewertungsportale auch für “Schmierenkampagnen” und “Rachefeldzüge” extremer Personen genutzt. Die nahezu ungefilterte und unbegrenzte Meinungsfreiheit führt dazu, dass jeder immer und überall einen persönlichen Frust ablassen kann oder versucht, Vorteile zu ziehen.

Experiment: Wie wirkt Erotik in der Werbung?

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Dieser Beitrag ist Teil 2 meiner Reihe „Wirkung von Erotik in der Werbung“. Hier zeige ich euch die Forschungsergebnisse meiner Masterarbeit zum Thema auf. Wie gesagt, alles sehr auf das Wesentliche reduziert, aber nicht minder spannend und aussagekräftig.

Das Experiment

Zur Untersuchung der Wirkung von Erotik in der Werbung habe ich 54 Probanden zwei TV-Spots der Parfümmarke Davidoff ansehen lassen. Einer der Spots war dabei sehr erotisiert, der andere vergleichsweise neutral (natürlich vorher im Pretest abgeklärt ;-)). Parfüm wurde deshalb als Produkt gewählt, da es sich hier einerseits um ein Konsumgut handelt, welches Männer und Frauen gleichermaßen nutzen und kaufen und andererseits, weil Erotik in der Parfümwerbung als Leitmotiv gilt (Vgl. Diaconu 2005, S. 232). Dies ist auf die sexuelle Revolution der 1960er Jahre zurückzuführen. Hier kam es zu einer Sexualisierung der Werbung für Düfte, die bis heute vorhält (Vgl. Borstnar 2002, S. 416).

Während die Probanden die Spots sahen (natürlich in unterschiedlichen Reihenfolgen, um Primacy und Recency Effekte auszuschließen) wurde ihr Blickverhalten durch eine Eye-Tracking Software aufgezeichnet:

 

Copyright: Die Spots sind Eigentum der Firma/ Marke Davidoff Parfums und wurden zur Forschungszwecken im Rahmen der Masterarbeit modifiziert und verwendet. Unbezahlte Markennennung.

Zusätzlich wurde über eine Software das elektrodermale Feedback aufgezeichnet, also der Hautwiderstand. Die elektrodermale Aktivität, auch als Galvanic Skin Response (GSR) genannt, ist eine Messung des Hautwiderstandes mittels Elektroden. Sie dient als physiologischer Indikator für psychische Aktivierungen. Die Veränderungen des elektrischen Hautwiderstandes geben bei der Einwirkung von Reizen, wie z.B. Werbung, Auskunft über den Aktivierungsgrad der Testperson und über das Aktivierungspotential des Reizes (Vgl. Esch 2015, o.S.).

Abschließend füllten die Probanden noch einen Fragebogen zur Ermittlung der Markenerinnerung aus.

Die Ergebnisse

Eye-Tracking

  • Probanden achten beim erotischen Spot vor allem auf körperliche Merkmale der Testimonials
  • beim neutralen Spot eher auf Merkmale des Produktes, Bewegungen und die Marke

Hautwiderstandsmessung

  • Probanden befanden sich durchschnittlich im Normbereich (236 Kiloohm)
  • Hautwiderstände beim erotischen Spot verliefen in der Regel oberhalb des Medians und beim neutralen Spot unterhalb, was bedeutet, dass die Probanden beim erotischen Spot entspannter waren bzw. eine geringere kognitive und emotionale Anspannung hatten

Auswertung GSR

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die GSR-Auswertung

Fragebogen

  • Marke wurde, unabhängig vom Spot, gleichermaßen erkannt + Produkte ähnlich gut bewertet
  • In beiden Fällen eher kein Kaufakt
  • Produkt beim erotischen Spot wurde überwiegend richtig erkannt, wohingegen das Produkt des neutralen Spots häufig als Deodorant oder Duschgel bezeichnet wurde
  • Testimonials des erotischen Spots wurden als attraktiver und sexuell anziehender empfunden, als das Testimonial des neutralen Spots.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass der Einfluss von Erotik in der Werbung im Rahmen meines Experiments aus werblicher Sicht nicht maßgeblich ist. Zwar betrachten die Probanden beim erotischen Spot die körperlichen und sexuellen Merkmale intensiver als andere Aspekte des Spots, allerdings scheint dies, anders als bei den vorgestellten Studien des aktuellen Forschungsstandes, keinen Einfluss auf die Markenerinnerung, die Produktbeurteilung oder die Kaufabsicht zu haben.

Eine mögliche Ursache dafür könnte im Alter der Probanden liegen. Dieses lag im Schnitt bei 24 Jahren und ist damit sehr jung und gehörten damals zur Gen Y. Diese ist mit Erotik und Sex in der Werbung und in den Meiden aufgewachsen. Nahe liegt, dass sie dahingehend bereits auf eine gewisse Weise abgestumpft sind und Erotik in der Werbung gegenüber eher unempfänglich sind.

Dafür spricht auch die Erhebung des Magazins Neon mit der Agentur Mindline Media, bei welcher die Befragten im Alter zwischen 20 und 35 Jahren zu großen Teilen angaben, dass sie das Maß an Erotik in Medien, Werbung und Film als „genau richtig“ empfänden (Vgl. Neon Magazin 2008, S. 50 ff.). Dies zeigt, dass Angehörige einer bestimmten Altersklasse, welche mit Erotik und Sex in den Medien aufgewachsen sind, diesen Stimuli gegenüber unempfänglich zu sein scheinen.

Dennoch ist anzumerken, dass Erotik in der Werbung zumindest dahingehend effektiv ist, dass dadurch Aufmerksamkeit erzeugt wird. Auch wenn dies beim Konsumenten nicht direkt zum Kaufimpuls führt.

Abschließend lässt sich also sagen, dass Erotik in der Werbung ein über die Zeit andauerndes Werbemittel ist, dessen Effektivität von verschieden Variablen abhängig ist. Die Wirkung von Erotik in der Werbung kann folglich nicht pauschalisiert dargestellt werden, sondern muss individuell und unter Berücksichtigung der verschiedenen Einflussgrößen betrachtet werden.

Wirkung von Erotik in der Werbung

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]In diesem Beitrag stelle ich euch sehr verkürzt und vereinfacht die Erkenntnisse aus meiner Masterarbeit „Wirkung von Erotik in der Werbung – Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes und explorative Untersuchung“ dar.

In der marketingcorner werdet ihr dazu zwei Videos finden. Dieses hier ist sozusagen Teil 1. Dort geht es um die Grundlagen von Erotik in der Werbung allgemein und das Konstrukt „sex sells“. Im zweiten Teil werde ich euch dann die Forschungsergebnisse meiner damaligen Arbeit vorstellen und die Frage beantworten, ob „sex sells“ nicht in zwischen obsolet ist.

„Sex sells!“ oder doch nicht?

„Sex sells!“ ist seit vielen Jahren ein ungeschriebenes Gesetz in der Werbebranche und gilt als Garant, um die Aufmerksamkeit des Konsumenten für Marken und Produkte zu erregen. Erotik gilt als sogenannter Schlüsselreiz. Dass diese als Werbemittel effektiv sind, wurde bereits mehrfach bewiesen und hatte ich euch schon das ein oder andere mal vorgestellt. Erotik und Sexualität sind wirkungsvolle Stimuli, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Allerdings ist fraglich, ob Erotik in der Werbung auch einen direkten Einfluss auf den Kaufimpuls hat (Vgl. Lindstrom 2009, S. 177 ff.; Vgl. Lachmann 2002, S. 153). Der sog. „Vampireffekt“, bei dem von der eigentlichen Werbebotschaft durch beispielsweise Vermittlung von Schlüsselreizen abgelenkt wird, steht seit einigen Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit von werbetreibenden Unternehmen (Vgl. Felser 2007, S. 417). „The indication is that interest starts with sex and stops just there“ (Steadman 1969, S.15). Dass dem tatsächlich so sein könnte, zeigen diverse Studien in jüngerer Zeit. So wurde beispielsweise nachgewiesen, dass erotische Inhalte in der Werbung die Markenerinnerung beim Rezipienten verschlechtert (Vgl. MediaAnalyzer 2005, S. 6.). Dies zeige auch eine 2009 durchgeführte Studie des Instituts für Marktpsychologie in Mannheim. Hier ließ man die männlichen Probanden Werbespots verschiedener Automobilhersteller, die gezielt auf Erotik und Sex als Werbemittel setzten, ansehen. Die Testpersonen konnten sich nach den Spots nicht an die Marken der Hersteller erinnern. Sexualität als einer der stärksten Reize, vor allem für Männer, beansprucht nicht nur den größten Teil der Aufmerksamkeit, sondern findet laut Prof. Dr. Gert Gutjahr, dem Leiter des Instituts, auch in einem ganz anderen Hirnareal statt, als Kaufentscheidungen und kann somit auch keinen positiven Einfluss auf diese haben. Die Forscher der Studie haben ebenfalls herausgefunden, dass „sex sells“ bei der jüngeren Generation so gut wie keinen Einfluss hat, da diese auf Grund der hohen medialen sexuellen Präsenz bereits „abgestumpft“ seien (Vgl. Hermes 2009, S. 20).

Trotz dieser neuen Erkenntnisse darf dennoch nicht vergessen werden, dass Erotik und Sex wirkungsvolle Konstrukte sind, die, auch wenn sie laut aktueller Studien nicht zum Kaufimpuls führen sollen, dennoch Aufmerksamkeit erzeugen (Vgl. Lachmann 2002, S. 153).

Diese Diskrepanz zwischen alt bewährten Schemata und neuen Erkenntnissen aus der Forschung und der damit vorhandene paradoxe Status Quo, stellte damals die zentrale Ausgangslage meiner Masterarbeit dar.  Mein Ziel war es, herauszufinden, welchen Stellenwert Erotik in der Werbung heutzutage hat und vor allem welche Wirkungsweise, um somit mögliche positive und negative Effekte zu eruieren und somit die Eignung von Erotik als Werbemittel zu überprüfen.

Erotik und Medien

Häufig wird Erotik mit dem Nacktheitsgrad des zu sehenden Models gleichgesetzt wird (Vgl. Franke 2012, S. 85). Andere Definitionen umfassen zusätzlich auch Aspekte der erotischen Ausstrahlungskraft oder verbale Komponenten (Vgl. Mehling 2005, S. 18). Ein weiterer und ergänzender Ansatz hierzu stammt von Tom Reichert und Artemio Ramirez, die sich damit befasst haben, wie sexuelle Reize in der Werbung aus Sicht der Rezipienten definiert werden (Vgl. Reichert/ Ramirez 2000, S. 268 ff.).

Im Zuge der Definitionsversuche geht auch die besondere Bedeutung der Rolle der Frau im Zusammenhang mit erotischer Werbung hervor. Diese Rolle hat sich über die letzten Jahrzehnte stets gewandelt. Die häufigste Form ist dabei die Frau als „Sexobjekt“, welche den Vorwurf der sexuellen Objektivierung bis heute aufrecht erhält (Vgl. Courtney/ Lockeretz 1971, S. 93 ff.; Vgl. Stern 2015, o.S.).

Eine besondere Bedeutung kommt hier auch den Medien zu. Vor allem Massenmedien, wie Fernsehen, Print und Internet dienen als Plattform für Erotik als Werbemittel und gewährleisten eine weitere und unselektierte Verbreitung.

Wie der erotische Werbereiz allerdings dann beim Rezipienten wirkt, hängt von der Art und Weise ab, wie er dargeboten wird (Intensität, Gestaltung, Dauer, etc.) und von der subjektiven Situation und Interpretation durch den Konsumenten (Vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg/ Gröppel-Klein 2009, S. 80 f.).

Erotik – physisch und psychisch

Die Wirksamkeit von erotischen Stimuli kann unter anderem auf evolutionäre Gründe zurückgeführt werden. Hier sind Sexualität und Werben eng mit einander verknüpft  (Vgl. Baschab 2006, S. 13) und Forschungen haben gezeigt, dass Sex womöglich ein ebenso fundamentales Bedürfnis darstellt, wie Nahrung oder Schlaf (Vgl. Fischer/ Moore/ Pittenger 2011, S. 69 ff.). Zudem konnten die Sexualforscher William Masters und Virginia Johnson die hohe Bedeutung psychischer Prozesse bei der Sexualität nachweisen (Vgl. Masters/ Johnson 1966, S. 3 ff.).

Auf neuronaler Ebene ist sexuelle Erregung beim Menschen vereinfacht dargestellt, ein motivationaler Zustand von Spannung und Aufregung, der durch physiologische und kognitive Reaktionen auf erotische Reize hervorgerufen wird. (Vgl. Zimbardo/ Gerrig 2008, S. 433). Bestimmte Strukturen des Gehirns, wie Hypophyse und Hypothalamus und auch bestimmte Hormone, die sog. Neurotransmitter sind hier ausschlaggebend (Vgl. Thompson 2001, S. 188).

Gehirn Funktionen

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Klug/ Wendt 2007, o.S.; Zimbardo/ Gerrig 2008, S. 91 ff.

Positive und negative Effekte von Erotik in der Werbung

Aus den vorgestellten Studien und der Literatur gehen verschiedene sowohl positive als auch negative Effekte von Erotik als Werbemittel hervor. Ein sehr wichtiger positiver Aspekt ist, dass Erotik als Werbemittel grundlegend wirkt, da es in erster Linie Aufmerksamkeit erzeugt, was in Zeiten des „information overload“ für Werbetreibende von hoher Bedeutung ist (Vgl. Hierneis/ Grandt 2008, S. 1). Insgesamt konnte hier auch hohe physische und kognitive Reaktionen gemessen werden (Vgl. Belch et al. 1982, S. 424 ff.), sowie positive Emotionswerte (Vgl. Hierneis/ Grandt 2008, S. 1). Außerdem konnte herausgefunden werden, dass erotische Elemente in der Werbung besser erinnert und zudem signifikant öfter und länger angesehen werden (Vgl. Lachmann 2002, S. 153 f.). Des Weiteren lässt sich durch Einsatz erotischer Stimuli das Productliking und die Kaufabsicht bei Männern erhöhen (Vgl. MediaAnalyzer 2005, S. 4 ff.). Durch die Darbietung dieser Reize im richtigen Kontext, wie beispielsweise das beworbene Produkt als Geschenk eines Mannes für eine besondere Frau, wird auch die Einstellung von Frauen positiv beeinflusst (Vgl. Dahl/ Sengupta/ Vohs 2009, S. 220). Generell führt die Darbietung erotischer Reize mit Produkten, die sich auf ein dazu passendes Thema beziehen, zu einer positiveren Bewertung der entsprechenden Werbeanzeige (Vgl. Pope/ Voges/ Brown 2004, S. 76 ff.).

Diesen positiven Aspekten steht jedoch auch eine Vielzahl von Negativen gegenüber. In verschiedenen Experimenten fand man heraus, dass sich Erotik in der Werbung negativ auf die Markenerinnerung auswirkt (Vgl. Weller/ Roberts/ Neuhaus 1979, S. 145 ff.; Vgl. MediaAnalyzer 2005, S. 4 f.). Zudem werden Elemente einer Werbung, wie Logo oder Produkt nicht beachtet. Erotik in der Werbung ist zudem vor allem bei Frauen negativ konnotiert wegen der sexuellen Objektivierung der Frau. Bei Frauen beeinflusst Erotik in der Werbung zudem sowohl die Markenerinnerung als auch den Kaufimpuls negativ (Vgl. MediaAnalyzer 2005, S. 4 ff.). Auch bei der jüngeren Generation hat sich gezeigt, dass „sex sells“ so gut wie keinen Einfluss hat, da diese auf Grund der hohen medialen sexuellen Präsenz bereits „abgestumpft“ sind (Vgl. Hermes 2009, S. 20).

Insgesamt gilt Erotik als einer der häufigsten Auslöser des sog. Vampireffekts. Es kommt hier entweder zu einer Beeinflussung der Aktivierungsstärke beim Konsumenten, was wiederum zu einer Art „Abstumpfung“ gegenüber der Werbebotschaft führt oder zu einer gänzlichen Ablenkung  (Vgl. Lachmann 2002, S. 152 f.).

Zusammenfassend ist hier allerdings zu sagen, dass Erotik in der Werbung gleichermaßen positive als auch negative Effekte haben kann und dass diese von bestimmten Determinanten, wie beispielsweise Intensität, Art des Produktes und Zielgruppe abhängen.

Ausblick auf Teil 2

In diesem Beitrag habt ihr nun kurz und knapp die wichtigsten Forschungsstände und Wirkweisen von Erotik in der Werbung erfahren. Diese dienten damals als Grundlage für meine Arbeit.

Im zweiten Teil, stelle ich euch das Experiment vor, das ich durchgeführt habe und natürlich auch die Ergebnisse. To be continued.